Mehr als zwei Jahrzehnte nach seinem ersten bedrohlich-brummigen Auftritt stapft der Grüffelo zurück in den Wald – und in die Kinderzimmer. Wie The Guardian am Mittwoch meldete, haben Autorin Julia Donaldson und Illustrator Axel Scheffler eine Fortsetzung der beliebten Grüffelo-Reihe angekündigt. Der dritte Band soll im September 2026 erscheinen – genau 27 Jahre nach dem Original von 1999 und 22 Jahre nach dem Nachfolger Das Grüffelokind.
Ein Comeback mit Krallen und Charme
Die Nachricht klingt ein bisschen wie die Geschichte selbst: unerwartet, leicht unheimlich und dann doch tröstlich vertraut. Wieder mit dabei ist natürlich die kleine Maus, die mit Witz und Wortgewandtheit durchs Unterholz navigiert – und offenbar erneut auf ihren alten imaginären Freund trifft, der diesmal vermutlich mehr als nur eine Nebenrolle spielt.
Der neue Band ist bislang noch unbetitelt, doch die Macher versprechen ein „klassisches Donaldson-Scheffler-Abenteuer“, wie es der britische Verlag Macmillan formulierte. Scheffler, der in Interviews gerne betont, wie sehr er seine Figuren beim Zeichnen zum Leben erweckt, zögerte erst – war dann aber vom Text so angetan, dass er die Stifte nicht mehr liegenlassen konnte. Ein literarischer Zündfunke, ausgelöst durch eine Bildungskampagne des National Literacy Trust, hat die Geschichte beflügelt: In deren Rahmen wurden die ersten beiden Bücher für Leseaktionen genutzt – offenbar mit mehr Wirkung, als manch einer dachte.
Ein literarisches Dream-Team: Donaldson & Scheffler
Dass sich die Vorfreude nicht nur auf die Rückkehr des Grüffelo richtet, sondern auf das gesamte Gespann Donaldson und Scheffler, überrascht kaum. Seit ihrer ersten Zusammenarbeit 1993 mit A Squash and a Squeeze (auf Deutsch: Wo ist Mami?) haben die britische Kinderbuchautorin und der in Hamburg geborene Illustrator über 30 Bücher gemeinsam veröffentlicht – eine kreative Allianz, die ihresgleichen sucht.
Ihre Werke zeichnen sich durch gereimte Texte, rhythmische Wiederholungen und eine sprachliche Klarheit aus, die Kindern Orientierung und Erwachsenen Vorlesespaß bieten. Und dazwischen: Schefflers unverwechselbare Figuren, die mit ihren schrägen Blicken, leicht schiefen Proportionen und einem ganz eigenen Witz sofort Wiedererkennung garantieren. Ob der Stockmann, der verzweifelt versucht, zu seiner Familie zurückzukehren, oder Zogg, der etwas ungeschickte, aber gutmütige Drache – ihre Geschichten erzählen von Mut, List, Familie und dem Anderssein. Sie sind nie moralinsauer, aber immer nah an den emotionalen Realitäten von Kindern.
Vom Grüffelo bis zum „Superwurm“
Nach dem Riesenerfolg des ersten Grüffelobuchs – das über fünf Millionen Mal verkauft, in 113 Sprachen übersetzt und vielfach adaptiert wurde – folgte 2004 Das Grüffelokind. Darin kehrt das Monsterkind an den Ort zurück, an dem einst sein Vater die listige Maus traf. Die Geschichte schlägt den Bogen zwischen Furcht und Fantasie, zwischen Elternmythen und kindlicher Eigenständigkeit – und bleibt dabei ganz im vertrauten Duktus der ersten Erzählung.
Zwischen diesen beiden Bänden und der nun angekündigten Fortsetzung ist ein kleines Universum an Figuren entstanden. Für Hund und Katz ist auch noch Platz, Zogg, Der höchste Bücherberg der Welt oder Superwurm – alle folgen einem ähnlichen Schema, ohne sich zu wiederholen. Donaldsons Reime sind von Musikalität getragen, Schefflers Bilder sind farbenfroh, aber nie schrill. Es geht um Freundschaft, Mut, Selbstvertrauen – aber auch um das Recht, anders zu sein, um die Kraft der Sprache und das Staunen über die Welt.
Mehr als nur ein Bilderbuch – eine Kulturleistung
Dass ein dritter Grüffelo-Band gerade jetzt kommt, ist kein Zufall. Studien zeigen: Immer weniger Kinder lesen freiwillig. Bücher wie die von Donaldson und Scheffler sind dabei keine bloßen Unterhaltungsprodukte, sondern Zugänge zur Sprache. Sie vermitteln Struktur, Spiel, Klang. Ihre gereimten Texte schulen das Ohr, ihr erzählerischer Rhythmus gibt Halt. Sie sind damit nicht nur Geschichten, sondern ein Beitrag zur kulturellen Teilhabe – und zur Bildung.
Macmillan kündigte bereits eine internationale Leseförderkampagne an, die mit dem neuen Buch verknüpft sein soll. Ob das neue Abenteuer die Erwartungen erfüllt? Man darf gespannt sein. Sicher ist nur: Die Maus wird ihren Verstand wieder schärfen, der Wald wird rauschen – und irgendwo wird ein Kind mit großen Augen sagen:
„Ich fürchte mich nicht.“
Bis dahin gilt: Grüffelo, oh Grüffelo – wir warten auf dich.
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