In „Mir kann doch nichts geschehen“ beleuchtet Marianne Brentzel das Leben der erfolgreichen Kinder- und Jugendbuchautorin Else Ury, die besonders durch ihre Nesthäkchen-Reihe Bekanntheit erlangte. Anders als in ihrer ersten Biografie „Nesthäkchen kommt ins KZ“ (1992) liegt der Fokus dieser 2007 erschienenen Veröffentlichung auf Urys Verwurzelung in der jüdischen Tradition und ihrer engen Verbindung zur deutschen Kultur. Brentzel gelingt es meisterhaft, die jüdischen Spuren im Leben Urys aufzudecken und darzustellen, wie sie selbst einen Beitrag zur Assimilation jüdischer Menschen in das deutsche Bürgertum leistete.
"Mir kann doch nichts geschehen. Das Leben der Nesthäkchen-Autorin Else Ury“ von Marianne Brentzel
Herkunft und Aufstieg zur gefeierten Autorin
Else Ury, geboren 1877 in eine wohlhabende, liberale jüdische Familie in Berlin, wuchs in der Nähe der ersten Synagoge Berlins auf, ohne Kontakt zu den ärmeren Juden im angrenzenden Scheunenviertel. Ihr Weg zur Schriftstellerin begann mit kleinen Veröffentlichungen in der Vossischen Zeitung, jedoch thematisierte sie selten das jüdisch-deutsche Milieu. Stattdessen schuf sie mit Werken wie den Nesthäkchen-Büchern und der Reihe Professors Zwillinge Klassiker, die in ihrer Zeit und weit darüber hinaus hohe Anerkennung fanden.
Urys Bindung an das deutsche Bürgertum und ihr tragisches Ende
Brentzel zeigt, dass Ury trotz ihres großen literarischen Erfolgs das aufkommende Unheil des Nationalsozialismus zunächst nicht erkannte. Wie viele assimilierte Juden blieb sie lange optimistisch, dass die politischen Veränderungen keine Bedrohung für ihr Leben darstellten. Doch 1935 wurde sie aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, und 1943 folgte die Deportation nach Auschwitz, wo sie kurz nach ihrer Ankunft ermordet wurde.
Familiäre Werte und jüdische Traditionen in Urys Werk
Besonders eindrucksvoll ist Brentzels Fähigkeit, Urys familiäre Wurzeln und die Bedeutung der jüdischen Tradition in ihren Werken herauszuarbeiten. Familiärer Zusammenhalt, gemeinsame Mahlzeiten und Feste sind zentrale Themen in Urys Büchern und spiegeln die jüdischen Werte wider, die sie, trotz ihrer Assimilation, stark prägten. Brentzel führt zudem auf, wie tief Ury in der deutschen Kultur verwurzelt war und wie dieser Glaube an eine gemeinsame Zukunft am Ende enttäuscht wurde.
Ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur
Das Buch ist nicht nur eine Biografie, sondern auch ein wichtiger Beitrag zum Verständnis jüdischer Spuren in der deutschen Geschichte, die lange übersehen wurden. Brentzel gelingt es, Else Ury in den Kontext des Berliner Judentums der Weimarer Republik zu stellen und gleichzeitig zu zeigen, wie die Entrechtung der Juden in Nazi-Deutschland minutiös vorangetrieben wurde.
„Mir kann doch nichts geschehen“ ist eine eindrucksvolle und bewegende Biografie, die das Leben einer der bekanntesten Kinderbuchautorinnen Deutschlands neu beleuchtet und zugleich ein tiefes Verständnis für die Tragik der jüdischen Assimilation und Verfolgung vermittelt.
Über die Autorin und den Verlag
Marianne Brentzel, geboren 1943, ist eine deutsche Autorin, die sich vor allem auf Biografien bedeutender Frauen spezialisiert hat. Nach ihrem Studium der Politischen Wissenschaft engagierte sie sich in der Studentenbewegung und arbeitete als Dozentin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Zu ihren Schwerpunkten gehören Biografien von Frauen, die trotz gesellschaftlicher Widerstände beeindruckten, darunter auch Bertha Pappenheim und Hilde Benjamin.
Das Buch „Mir kann doch nichts geschehen“ wurde 2007 vom Ebersbach & Simon Verlag veröffentlicht, der sich auf hochwertige biografische und literarische Werke spezialisiert hat.
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