Der Bestseller-Autor Denis Lehne beklagt den öffentlichen Umgang mit Tabuthemen. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" spricht er über eine sich zunehmend polarisierende Welt, über den Gebrauch des N-Wortes in seinem neuen Roman "Sekunden der Gnade" und über die Wurzel vielen Übels: den Kapitalismus.
Dennis Lehane: "Der Versuch, über schmerzhafte Themen zu reden, gilt auf einmal als Sünde"
Wer eine rassistische Welt in einem Kunstwerk darstellen will, sollte vor einem rassistischen Sprachgebrauch nicht zurückschrecken, meinst der Bestsellerautor Dennis Lehane. Daher habe er den Figuren seines neuen Romans "Sekunde der Gnade" einen solchen gegeben. Dabei wird unter anderem auch das N-Wort verwendet. Gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) beklagte in diesem Zusammenhang eine Welt, die sich zunehmend polarisiere und die der man über nichts mehr reden könne. "Man wird von beiden Seiten niedergebrüllt", so Lehane. "Selbst der Versuch, über schmerzhafte Themen zu reden, gilt auf einmal als Sünde."
"Sekunden der Gnade"
In "Sekunden der Gnade" schreibt Lehane über den Rassenhass in den USA der 1970er Jahre. Schwarze Kinder sollen künftig mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden. Angst geht um und Hass. Eines Machst kehrt Mary Pat Fennessys 17-jährige Tochter Jules nicht mehr nach Hause zurück. Die Mutter beginnt Fragen zu stellen, stößt aber aber auf eine Wand aus Schweigen und Widersprüchen. Bald stellt sich heraus: Man hat ihr das einzige genommen, was ihr in dieser Welt Halt gab. Außer sich vor Schmerz macht sie sich auf, um Rache zu nehmen an den Verantwortlichen – und um ihre eigene Schuld abzutragen.
"Ich wollte die Welt, in der ich aufgewachsen bin, authentisch schildern. Die rassistische Sprache abzumildern wäre hochgradig unaufrichtig gegenüber dem, was damals los war", sagte Lehane über seine Geschichte. "Wir haben mit einer massiven Reaktion gerechnet, aber es kam nichts." In der deutschen Übersetzung - die dieser Tage bei Diogenes erschienen ist - warnt der Verlag in einer Notiz vor dem Sprachgebrauch.
Kapitalismus als Ursache von Rassismus
Als Ursache für den Rassismus macht Lehane den Kapitalismus aus. "Die Reichen verteidigen ihren Besitz, indem sie die Ärmsten damit beschäftigen, gegeneinander zu kämpfen. Am einfachsten geht das über den Rassismus", so der Autor im Interview mit der NOZ. "Man muss einfach nur sagen: Ihr seid nicht arm, weil wir die ganzen Ressourcen für uns behalten; ihr seid arm, weil die Immigranten euch die Arbeitsplätze wegnehmen. Die Strategie ist dreist und wird seit Hunderten von Jahren durchgezogen." Es gebe ein "ein hässliches Bedürfnis, sich für besser als die anderen zu halten, egal, wer diese anderen sind. Dieses Gefühl wird gerade auf der ganzen Welt instrumentalisiert."
Und doch blickt Lehne zuversichtlich in die Zukunft. "Ich bin in einer sehr rassistischen Gesellschaft aufgewachsen. Trotzdem kenne ich jede Menge Leute, die keine Rassisten sind - mich eingeschlossen. Also bin ich optimistisch."
Topnews
Ein Geburtstagskind im November: Astrid Lindgren
Geburtstagskind im Oktober: Benno Pludra zum 100. Geburtstag
Das Geburtstagskind im September: Roald Dahl – Der Kinderschreck mit Engelszunge
Ein Geburtstagskind im August: Johann Wolfgang von Goethe
Hans Fallada – Chronist der kleinen Leute und der inneren Kämpfe
Ein Geburtstagskind im Juni: Bertha von Suttner – Die Unbequeme mit der Feder
Ein Geburtstagskind im Mai: Johannes R. Becher
Ein Geburtstagskind im April: Stefan Heym
Ein Geburtstagskind im März: Christa Wolf
Bertolt Brecht – Geburtstagskind im Februar: Ein literarisches Monument, das bleibt
Wie Banksy die Kunst rettete – Ein überraschender Blick auf die Kunstgeschichte
Ein Geburtstagskind im Januar: Franz Fühmann
Zauberberg 2 von Heinz Strunk
100 Jahre „Der Zauberberg“ - Was Leser heute daraus mitnehmen können
Oschmann: Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung“ – Umstrittene russische Übersetzung
Überraschung: Autorin Han Kang hat den Literaturnobelpreis 2024 gewonnen
PEN Berlin: Große Gesprächsreihe vor den Landtagswahlen im Osten
„Freiheitsschock“ von Ilko-Sascha Kowalczuk
Precht: Das Jahrhundert der Toleranz
Aktuelles
Benno Pludras Lütt Matten und die weiße Muschel
Spuren im Weiß – Ezra Jack Keats’ „The Snowy Day“ als stille Poetik der Kindheit
Der Mann im roten Mantel – The Life and Adventures of Santa Claus von L. Frank Baum
Die Illusion der Sicherheit – wie westliche Romane den Frieden erzählen, den es nie gab
Beim Puppendoktor – Ein Bilderbuch über das Kind und sein Spiel
Denis Scheck über Fitzek, Gewalt und die Suche nach Literatur im Maschinenraum der Bestseller
Die Frauen von Ballymore von Lucinda Riley- Irland, eine verbotene Liebe und ein Geheimnis, das nachhallt
Katrin Pointner: Willst du Liebe
Geschenktipp zu Weihnachten: Otfried Preußlers Die kleine Hexe
Zwischen Fenster und Flug – Nikola Huppertz’ Gebrannte Mandeln für Grisou
Die stille Heldin von Hera Lind – Eine Mutter hält die Welt zusammen
Winnetou: Die besten Karl-May-Bände
Kiss Me Now von Stella Tack – Prinzessin, Personenschutz, Gefühlsernst
Kiss Me Twice von Stella Tack – Royal Romance mit Sicherheitsprotokoll
Literatur zum Hören: Was die BookBeat-Charts 2025 über Lesegewohnheiten verraten
Rezensionen
Kiss Me Once von Stella Tack – Campus, Chaos, Bodyguard: eine Liebesgeschichte mit Sicherheitslücke
Die ewigen Toten von Simon Beckett – London, Staub, Stille: Ein Krankenhaus als Leichenschrein
Totenfang von Simon Beckett – Gezeiten, Schlick, Schuld: Wenn das Meer Geheimnisse wieder ausspuckt
Verwesung von Simon Beckett – Dartmoor, ein alter Fall und die Schuld, die nicht verwest
Leichenblässe von Simon Beckett – Wenn die Toten reden und die Lebenden endlich zuhören
Kalte Asche von Simon Beckett – Eine Insel, ein Sturm, ein Körper, der zu schnell zu Staub wurde
Die Chemie des Todes von Simon Beckett– Wenn Stille lauter ist als ein Schrei
Knochenkälte von Simon Beckett – Winter, Stille, ein Skelett in den Wurzeln
Biss zum Ende der Nacht von Stephenie Meyer – Hochzeit, Blut, Gesetz: Der Schlussakkord mit Risiken und Nebenwirkungen
Das gute Übel. Samanta Schweblins Erzählband als Zustand der Schwebe
Biss zum Abendrot von Stephenie Meyer – Heiratsantrag, Vampirarmee, Gewitter über Forks