Die Suche nach den Gefühlen Seite 3

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Die quälenden, lauten Gedanken wecken mich auf. Deine Liegeposition hat sich nicht verändert. Meine innere Unruhe ist mittlerweile unaushaltbar. Grob schiebe ich deinen Kopf zur Seite und reisse dich aus deinem Schlaf. Ich stehe auf und fange an, hin und her zu gehen. "Ich kann das nicht", sage ich mit bebender Stimme. "Es ist falsch." Ich kann sehen, wie in deinen Augen etwas zerbricht und weiss instinktiv, dass es sich nicht wieder reparieren lassen wird. Die innere Unruhe steigt. Ich balle meine Hände zu Fäusten und setze mich auf die unterste Treppenstufe. "Was geht dir durch den Kopf?", fragst du, während du aufstehst und auf die andere Seite zur Wand gehst. Du setzt dich auf den Boden. "Ich fühl mich realitätsfern. Ich möchte so nicht sein." Zum ersten Mal kann ich Angst in deinen Augen aufblitzen sehen. Du blinzelst sie weg und fragst: "Wie willst du dann sein?"

Meine Stimme zittert. "Ich will überhaupt nicht sein, weder hier noch sonst irgendwo. Es liegt nicht an diesem Ort, es liegt an meinem Kopf und meinen Gedanken. Ich suche den Knopf, um ihn zu drücken, damit alles aufhört."

Mein Puls ist erhöht und mein Atem geht stossweise. "Deine Gedanken sind nicht real." "Das beschreibt das Problem ziemlich gut", stelle ich fest, während ich zurück zu meinem Platz gehe, um mich hinzulegen. Meine Stimme wird laut: "Ich weiss, dass meine Gedanken nicht die Realität sind, jedoch kann ich nicht fühlen, dass das stimmt. Meine Gedanken sagen, dass ich die Treppe nicht benutzen kann, obwohl ich sie benutzen möchte!" Du überlegst kurz. "Was fühlst du dann?" "Nichts", entgegne ich tonlos. "Das ist das Problem", stellst du fest. Ich schlafe ein.

Ein Kitzeln an meiner Nase weckt mich auf. Du hältst einen Malpinsel in der Hand und streichst damit über mein Gesicht. Ich muss unwillkürlich lächeln. "Was ist das?", frage ich matt. Du drückst mir den Pinsel in die Hand. "Die Lösung!", rufst du begeistert, stehst auf und zeigst begeistert auf die Staffelei, die du in meiner Nähe aufgestellt hast. Darauf befindet sich eine weisse Leinwand und davor liegen einige Farbtuben verstreut durcheinander. Wenig überzeugt rümpfe ich die Nase. "Die Lösung wofür?" "Damit du wieder fühlst." Du drückst mir den Pinsel in die Hand, ziehst mich vom Boden hoch und drückst mich auf den Hocker vor der Staffelei. Erwartungsvoll schaust du mich an. Ich werfe einen abschätzigen Blick auf den Pinsel und halt einen Augenblick inne. Dann schaue ich zurück zu dir, seufze resigniert, lege den Pinsel weg und gehe zurück zum Platz. "Das bin nicht ich. So funktioniert das nicht." Das Letzte, was ich sehe, bevor ich die Augen schliesse, ist die Enttäuschung in deinem Gesicht. Sie zerreisst mich innerlich so sehr, dass mir die Tränen kommen. Bevor ich beginne zu weinen, schlafe ich ein.


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