Das Buchmessen-Wochenende ist vorüber und die Veranstalter ziehen Bilanz. Mehr als 70.000 Besucherinnen und Besucher haben sich in diesem Jahr auf dem Messe-Gelände eingefunden - weniger als zur letzten Präsenzveranstaltung 2019, und doch mehr als erwartet. Unter ihnen waren etwa 36.000 Fachbesucher aus 105 Länder, wie die Veranstalter am Sonntag in Frankfurt mitteilten. Im Mittelpunkt der Buchmesse aber, stand nicht das Mit-, sondern das Gegeneinander.
Buchmessenchef Jürgen Boos zeigt sich zufrieden: "Die 73. Frankfurter Buchmesse markiert nach 18 Monaten einen Neubeginn und hat angesichts der weltweit geltenden Reisebeschränkungen unsere Erwartungen weit übertroffen". Dran könnte man auch erkennen, wie resistent die Branche sei. Die Wiedersehensfreund, so Boos, war in den Hallen förmlich zu spüren.
War die Frankfurter Buchmesse im vergangenen Jahr aufgrund der Corona-Pandemie lediglich als virtuelle Veranstaltung zu erleben war, war es in diesem Jahr, dank umfassender Hygiene- und Schutzmaßnahmen wie die Verbreiterung der Gänge, der Einführung der 3G-Regel und die Vermeidung von Menschenansammlungen, wieder möglich, einen Ort der Begegnung zu schaffen. Mehr als 70.000 Besucherinnen und Besucher sind diesem Angebot nachgekommen; etwa 36.000 davon Fachbesucher aus insgesamt 105 Ländern. Etwa 130.000 User haben außerdem die digitalen Angebote genutzt, die in diesem Jahr zur Präsenzveranstaltung ergänzend hinzukamen.
Debatte um die Grenzen der Meinungsfreiheit
Klingt nach friedvoller Wiederbegegnung, Austausch und Diskurs. Medial allerdings, drang insbesondere ein Ereignis nach Außen, und schien die Berichterstattung rund um die Messe zu beherrschen. Die als Überraschungsgast geladene Autorin Jasmina Kuhnke sollte ursprünglich ihren Debütroman "Schwarzes Herz" auf der Messe vorstellen, sagte ihren Auftritt aber aufgrund der Anwesenheit des neu-rechten Verlags "Jungeuropa" ab. Kuhnke rief außerdem dazu auf, die Veranstaltung zu boykottieren; einige AutorInnen solidarisierten sich daraufhin mit der Autorin und sagten ihre Auftritte ebenfalls ab.
Auch die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Paulskirche am Sonntag stand ganz im Lichte der Debatte. Die Auszeichnung ging in diesem Jahr an die Autorin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe. Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann sagte während seiner Lobpreisung, er finde es schlimm und mache sich große, sehr große Sorgen, wenn er lese, "... dass Autorinnen Angst haben, nach Frankfurt zu fahren, weil sie hier auf rechtsradikale Verlage und Autoren treffen könnten." Die "Freiheit des Wortes", so der SPD-Politiker, sei "ein hohes Gut". Das größte Gebot unserer Verfassung aber, sei die Würde des Menschen.
"Keine Meinungsfreiheit" - Mirrianne Mahn ergreift das Wort
Während seiner Rede wurde Feldmann von Mirrianne Mahn, die Stadtverordnete für die Grünen in Frankfurt, unterbrochen. Mahn ergriff spontan und ungeplant die Gelegenheit, und intervenierte: "Das Paradox ist, dass wir hier in der Paulskirche, der Wiege der Demokratie, einer schwarzen Frau den Friedenspreis verleihen, aber schwarze Frauen auf genau dieser Buchmesse nicht willkommen waren", sagte sie. "Und ich sage ganz klar ›nicht willkommen waren‹, weil nicht dafür gesorgt wurde, dass sie sich sicher fühlen. Das ist keine Meinungsfreiheit."
Die Freiheit des Wortes ist nicht verhandelbar
Jürgen Boos sagte am Sonntag, er bedauere die Absagen der Autorinnen und Autoren. Ihre Stimmen, so Boos, hätten gefehlt. "Mit ihrer Präsenz hätten sie ein Zeichen gesetzt, so wie das in der Vergangenheit zum Beispiel Salman Rushdie oder Chimamanda Ngozi Adichie getan haben" Weiterhin verwies der Buchmessenchef darauf, dass internationale Buchmessen von der Vielfalt der Meinungen und Inhalte sowie vom Austausch auf Augenhöhe leben.
"Die Freiheit des Wortes ist für uns nicht verhandelbar", so der Buchmessenchef weiter. Die Meinungsfreiheit dürfe nicht über die vom Staat gezogenen Grenzen hinaus eingeschränkt werden. Jeder und jede Einzelne müsse sich frei und sicher fühlen, die Messe zu besuchen.
Was bleibt von der Frankfurter Buchmesse?
Was letztlich von der diesjährigen Frankfurter Buchmesse in Erinnerungen bleiben wird, fasste die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs, wohl am besten zusammen. Es habe sich gezeigt, so Schmidt-Friedrichs, dass es gesellschaftliche Debatten gibt, die wir weiterhin führen müssen - "so etwa die zur Bekämpfung von Rassismus oder die zum Umgang mit extremen politischen Positionen on unsrer Gesellschaft und auf Buchmessen.
Bleibt zu fragen, ob es eventuell progressivere Wege einer solchen Bekämpfung gibt, als die Boykottierung einer internationalen Veranstaltung.
Topnews
Ein Geburtstagskind im November: Astrid Lindgren
Geburtstagskind im Oktober: Benno Pludra zum 100. Geburtstag
Das Geburtstagskind im September: Roald Dahl – Der Kinderschreck mit Engelszunge
Ein Geburtstagskind im August: Johann Wolfgang von Goethe
Hans Fallada – Chronist der kleinen Leute und der inneren Kämpfe
Ein Geburtstagskind im Juni: Bertha von Suttner – Die Unbequeme mit der Feder
Ein Geburtstagskind im Mai: Johannes R. Becher
Ein Geburtstagskind im April: Stefan Heym
Ein Geburtstagskind im März: Christa Wolf
Bertolt Brecht – Geburtstagskind im Februar: Ein literarisches Monument, das bleibt
Wie Banksy die Kunst rettete – Ein überraschender Blick auf die Kunstgeschichte
Ein Geburtstagskind im Januar: Franz Fühmann
Zauberberg 2 von Heinz Strunk
100 Jahre „Der Zauberberg“ - Was Leser heute daraus mitnehmen können
Oschmann: Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung“ – Umstrittene russische Übersetzung
Überraschung: Autorin Han Kang hat den Literaturnobelpreis 2024 gewonnen
PEN Berlin: Große Gesprächsreihe vor den Landtagswahlen im Osten
„Freiheitsschock“ von Ilko-Sascha Kowalczuk
Precht: Das Jahrhundert der Toleranz
Karl-Ove Knausgard auf der Frankfurter Buchmesse 2019
Salman Rushdie spricht über Meinungsfreiheit
Eine Frage des Gewichts: Clemens Meyer, Buchpreise und das literarische Ungleichgewicht
Das Ende von Litprom e.V. – Eine Ära geht zu Ende, aber die Arbeit geht weiter
PEN-Zentrum Deutschland fordert Freilassung von Boualem Sansal und Schutz der Meinungsfreiheit in Algerien
Julja Linhof gewinnt den ZDF-"aspekte"-Literaturpreis 2024 mit Krummes Holz
Veronesis Absage als Protest gegen den Ausschluss von Roberto Saviano
Salman Rushdie präsentiert sein neues Memoir "Knife. Gedanken nach einem Mordversuch" in Berlin
Frankfurter Buchmesse: Wie kehrt die weltweit größte Bücherschau zurück?
Die Longlist des Selfpublishing-Buchpreises 2022
Miriam Zeh übernimmt Jury-Vorsitz beim Deutschen Buchpreis 2022
Hilfsappell aus Kiew: Das können AutorInnen, KünstlerInnen und Kulturinstitutionen jetzt tun
Rechter "Jungeuropa"-Verlag auf der Frankfurter Buchmesse
"Wie wollen wir leben?": Die ARTE-Dokumentation zur Frankfurter Buchmesse
Die Frankfurter Buchmesse: Termine, Gäste, Höhepunkte
Aktuelles
Die Illusion der Sicherheit – wie westliche Romane den Frieden erzählen, den es nie gab
Beim Puppendoktor – Ein Bilderbuch über das Kind und sein Spiel
Denis Scheck über Fitzek, Gewalt und die Suche nach Literatur im Maschinenraum der Bestseller
Die Frauen von Ballymore von Lucinda Riley- Irland, eine verbotene Liebe und ein Geheimnis, das nachhallt
Katrin Pointner: Willst du Liebe
Geschenktipp zu Weihnachten: Otfried Preußlers Die kleine Hexe
Zwischen Fenster und Flug – Nikola Huppertz’ Gebrannte Mandeln für Grisou
Die stille Heldin von Hera Lind – Eine Mutter hält die Welt zusammen
Winnetou: Die besten Karl-May-Bände
Kiss Me Now von Stella Tack – Prinzessin, Personenschutz, Gefühlsernst
Kiss Me Twice von Stella Tack – Royal Romance mit Sicherheitsprotokoll
Literatur zum Hören: Was die BookBeat-Charts 2025 über Lesegewohnheiten verraten
László Krasznahorkais neuer Roman „Zsömle ist weg“
Zwischen Vers und Verwandlung – Fitzebutze als poetische Kindheitsform
Kiss Me Once von Stella Tack – Campus, Chaos, Bodyguard: eine Liebesgeschichte mit Sicherheitslücke
Rezensionen
Die ewigen Toten von Simon Beckett – London, Staub, Stille: Ein Krankenhaus als Leichenschrein
Totenfang von Simon Beckett – Gezeiten, Schlick, Schuld: Wenn das Meer Geheimnisse wieder ausspuckt
Verwesung von Simon Beckett – Dartmoor, ein alter Fall und die Schuld, die nicht verwest
Leichenblässe von Simon Beckett – Wenn die Toten reden und die Lebenden endlich zuhören
Kalte Asche von Simon Beckett – Eine Insel, ein Sturm, ein Körper, der zu schnell zu Staub wurde
Die Chemie des Todes von Simon Beckett– Wenn Stille lauter ist als ein Schrei
Knochenkälte von Simon Beckett – Winter, Stille, ein Skelett in den Wurzeln
Biss zum Ende der Nacht von Stephenie Meyer – Hochzeit, Blut, Gesetz: Der Schlussakkord mit Risiken und Nebenwirkungen
Das gute Übel. Samanta Schweblins Erzählband als Zustand der Schwebe
Biss zum Abendrot von Stephenie Meyer – Heiratsantrag, Vampirarmee, Gewitter über Forks