Lauren Beukes: Broken Monsters Ist das Kunst oder kann das auf den Friedhof?

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Der morbide Thriller in der Detroiter Kunstszene beginnt wie der klassische Rate-Krimi und endet gruslig wie Stephen King.

Broken Monsters: Serienkiller mit befremdlichem Kunstverständnis. Foto: Rowohlt

Dass ein schwarzer Junge in Detroit ermordet aufgefunden wird, ist in der US-Hauptstadt des Verbrechens allenfalls dann eine Schlagzeile wert, wenn er unbewaffnet von mehr als ein Dutzend Polizeikugeln niedergestreckt worden wäre.

Der Fall in Broken Monsters, von der ermittelnden Beamtin Gabrielle Versado zynisch "Bambi" getauft, liegt jedoch nicht minder spektakulär: Die Polizei findet lediglich den Oberkörper den Jungen, der am Unterleib eines Rehes befestigt ist. Doch für die Ermittlerin bedeutet dies allerdings nicht, dass sie sich auf ein Muster verlassen kann. Vielmehr, so erfährt der Leser bald, sieht sich der Täter als Teil der Detroiter Kunstszene und verfällt mehr und mehr der Idee, seine Kunstwerke mit menschlichen Körpern weiter zu entwickeln.

Doch zunächst führt die Autorin in Broken Monsters weitere Figuren vor, die vorerst unabhängig erscheinende Handlungsstränge vorantreiben. Da wäre Gabrielles 15jährige Tochter Layla, ein in hohem Maße pubertierender, wandelnder Krisenherd: In Herzen gutwillig, aber letztlich eine Gefahr für sich und die Allgemeinheit. Zusammen mit ihrer Busenfreundin Cas erpresst sie Pädophile im Internet , wird selbst Zeuge der Erpressung ihrer Freundin und gerät schließlich in den Strudel der Ereignisse rund um die geheimnisvolle Mordserie.

Zudem stellt Lauren Beukes TK vor, einen vorbestraften Obdachlosen, der sich phasenweise bei der lokalen Kirchengemeinde nützlich macht. Hauptberuflich plündert TK zwangsgeräumte Häuser und führt den Leser so durch die morbiden Abrissviertel von Detroit. Er ist es, der später geheimnisvolle Tür-Symbole aufspürt, die mit den Morden zusammenhängen.

Jono Haim ist hingegen ein darbender Reporter, der verzweifelt den "Scoop", also die große Story sucht. Mit seiner Freundin berichtet Jono über die Kunstszene in Detroit mit Schwerpunkt auf der verfallenen Packard Plant, die mittlerweile zum Aktionsfeld für Bildhauer, Grafitti-Sprayer und Aktionskünstler geworden ist.

Clayton ist dagegen bereits in den 50ern und versucht, in der Detroiter Kunstszene Fuß zu fassen - mit bizarren Mensch-Tier-Skulpturen. Bald driftet Clayton in immer bizarrere Träume ab. Lauren Beukes gibt sich von Anfang an wenig Mühe, die wahre Identität des Künstler als irren Täter zu kaschieren.

Und der wirrt sich schließlich - durchaus verstörend und glaubhaft geschildert - in für ihn immer realer wirkende Wachträume ein.

Während der Mörder eine Schneise der Verwüstung durch die Detroiter Kunstszene zieht und die Polizei Leichenteil um Leichenteil einsammelt, wittert Jono Haim Blut: Über das Internet löst der Reporter mit Aufnahmen der aus Leichenteilen geschaffenen "Kunstwerke" einen regelrechten Hype aus und bietet dem Entrückten erst eine Plattform zur Entfaltung.

Schließlich wird es immer unheimlicher: Was haben die Kreidetüren, die überall in den Ruinen von Detroit auftauchen zu bedeuten? Und irgendetwas scheint der Mörder an seine Opfer weiterzugeben, sowie er sie berührt...

Fazit: Lauren Beukes´ Broken Monsters ist erfrischend anders. Die Autorin schockt zwar zunächst genre-üblich mit dem grotesken "Bambi-Mord", beginnt dann schnell Parallel-Handlungen. Es gelingt ihr tatsächlich spannend, den Alltag von vier Menschen in Detroit zu beleuchten und die Haupthandlung begleitenden Mini-Stories später nahtlos in den Thriller-Plot einzufügen. Allerdings erwischt die Autorin in Broken Monsters den Schwung zum Übernatürlichen zu spät und dann nicht überzeugend genug: Über gut 80 Prozent des Romans wähnt sich der Leser in einem sehr guten Serienkiller-Roman, wenn auch nie wirklich Knobel-Atmosphäre im Krimi-Stil aufkommt. Plötzlich ist der Täter, dessen Identität früh klar ist, dann von Übersinnlichem bewegt. Dies wirkt gegen Ende des Romans zu befremdlich - auch wenn Lauren Beukes zum Abschluss eine schöne Pointe eingefallen ist, auf die zum Beispiel der im Abschluss seit Jeher eher schwache Stephen King wohl kaum gekommen wäre.

Für wen eignet sich´s? Das Problem an Broken Monsters: Es ist weder komplex angelegter Serienkiller-Roman noch echter Horror-Thriller im traditionellen King-Stil. Broken Monsters brilliert aber in den Charakterdarstellungen, der atmosphärischen Schilderung des maroden Detroit und den spannenden Parallelhandlungen. Die Kombination dieser Zutaten macht Broken Monsters zur lohnenswerten Lektüre, auch wenn weder die Krimi- noch die Phantastik-Komponente für sich bestehen können. Dies wird an den durchaus geteilten Meinungen bei Amazon deutlich.





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