„Ich habe es gewusst und nicht geglaubt. So ist es ja meistens.“ Dieses Resümee zieht Sergej Dowlatow – Autor, Erzähler und Protagonist in Personalunion – im letzten Drittel des 160-Seiten-Bändchens „Der Koffer“.
Da ist ihm bereits die Ehefrau davongelaufen (genauer gesagt: sie emigriert in die USA), er selbst hat mehrere Journalistenjobs bei Werkszeitungen in Leningrader Staatsbetrieben hingeschmissen, ist als Monumentalbildhauer gescheitert und wurde mit der Schnalle eines Soldatengürtels verprügelt. Unter anderem. Denn diesem tragikomischen Anti-Helden passieren ständig Unglücke, die im Grunde ebenso vorhersehbar wie auch abwendbar gewesen wären. Dowlatow aber will nichts abwenden.
In einer Mischung aus Fatalismus und unerschöpflicher Neugier lässt sich sein Held auf die schrägsten Unternehmungen ein. Immer dabei als teuflischer Katalysator: der Alkohol. Der Leser lacht unterwegs Tränen. Manchmal möchte er aber auch ein bisschen weinen. Zum Beispiel darüber, dass der hierzulande wenig bekannte Dowlatow insgesamt nur fünf schmale Bücher geschrieben hat. Mehr hat der Alkohol nicht zugelassen.
In der letzten Geschichte von „Der Koffer“ steht der hoch gewachsene Held, kostümiert als Zar Peter der Erste, am helllichten Tag im Zentrum von Leningrad in einer Schlange von Alkoholikern nach Bier an. Gestorben ist er 1990 in New York, nicht einmal fünfzig Jahre alt.
Autor Sergej Dowlatow
Der Koffer
Roman
Verlag: DUMONT Literatur und Kunst Verlag; Auflage: 1 (25. August 2008)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3832180737
ISBN-13: 978-3832180737
Originaltitel „Tschemodan“, veröffentlicht 1986 in den USA
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