Joëlle Amberg: Wieso

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Es war dunkel, ich spürte die Nacht auf meiner Haut, ein Kuss von nächtlicher Kälte und der Duft von Freiheit, den ich mit der Dunkelheit verbinde.

Ich schritt die langen dunkel asphaltierten Strasse hinab ins schlafende Stadtzentrum. Mein langer Mantel wehte, während der gleichmässige Rhythmus meiner Heels durch die windigen Strasse hallte. Ich verschmolz mit der Dunkelheit. Die Leggins kaum spürbar – federweich wie Samt lagen sie eng an meinen Beinen.

Ich fühlte mich frei – frei, wie es nur in einer solchen winterlichen Nacht möglich war.
Da sah ich ihn. Ein Schatten, so nah aber doch so fern. Die Nacht zeichnete seine starken Konturen nach. Er erinnerte mich an den Sonnenaufgang, an das erste Licht. Der rötliche Pullover umspielte seine Muskeln.

Er kam näher. Ich kam näher.

Ich verlor mich im Meerblau seiner Augen - es war, als konnte ich das Meeresrauschen hören, die Möwen vorbeifliegen sehen.

Ich kam näher. Er kam näher.

Nur Zentimeter trennten uns. Die Luft schien zu knistern wie Magie. Eine Melodie summte in meinen Ohren – nur hörbar für uns. Die Sterne leuchteten heller als je zuvor; es war, als würden sie pulsieren – nur sichtbar für uns.

Der Wind strich mir die Haare aus dem Gesicht.

Ich wartete. Er wartete.

Nichts passierte.

Ich stand da. Die Melodie verklang. Der Himmel wurde düster. Das Meer - ein Traum - verschwand, als wäre es nie dagewesen.

Ich blickte auf. Eine leere Gasse. Der Geruch von Einsamkeit – und ich. Allein.
Eine Möwe flog über mich hinweg, ihr schrei verhallte in der Dunkelheit.

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