Franz von Hahn kräht. Johnny Mauser und der dicke Waldemar helfen beim Wecken des Bauernhofs. Ein Ritual ohne Verpflichtung, aber mit Bedeutung. Denn Freunde helfen einander – nicht, weil es verlangt wird, sondern weil es so ist.
So beginnt dieses Bilderbuch, das längst zu den stillen Klassikern gehört. Freunde von Helme Heine erzählt keine große Geschichte, sondern viele kleine. Eine Fahrt mit dem Fahrrad, ein Boot mit einem Loch, eine Kirsche zu viel – genug, um zu zeigen, wie Nähe entsteht. Die Erzählung folgt dem Tageslauf: Aufstehen, losfahren, spielen, streiten, sich wiederfinden, müde werden, träumen. Nichts davon wird erklärt. Alles wird gezeigt.
Wenn eine Linie reicht
Helme Heines Bilder machen den Text erst sichtbar. Es sind keine Kulissen, sondern offene Räume, in denen Handlung entstehen kann. Die Linien sind sparsam, aber niemals karg. Jeder Strich hat ein Gewicht. Ein Hahnenkamm, der ein wenig zu stolz steht; ein Schweinebauch, der sich zufrieden nach vorne wölbt; eine Maus, die denkt, plant, zweifelt – all das entsteht ohne jeden Überfluss.
Die Farbigkeit ist zurückhaltend, fast pastoral. Kein schriller Ton, kein Effekt. Stattdessen: Felder, ein Teich, ein Fahrrad, ein Boot. Orte, die man wiedererkennt, obwohl man sie nie gesehen hat. Die Bilder laden nicht ein – sie setzen voraus, dass man schon da ist. Und das funktioniert.
Was Freunde so besonders macht, ist nicht die Komik, sondern die Ruhe. Jede Doppelseite bietet Raum, auch für das, was nicht gesagt wird. Für das Unentschiedene, das Unausgesprochene. Für die Kirschkerne, die Franz von Hahn bekommt, weil Waldemar zu viel gegessen hat. Für die Nacht, die jeder doch lieber im eigenen Bett verbringt. Und für die Träume, in denen man sich wiederfindet.
Wenn das Boot ein Loch hat
Ein zentrales Bild in diesem Buch ist das Boot. Johnny Mauser steht am Ruder, Franz von Hahn stellt das Segel, der dicke Waldemar stopft mit seinem Bauch das Leck. So fahren sie über den Dorfteich. Das ist keine Metapher, das ist eine Arbeitsverteilung. Jeder tut, was er kann. Und zusammen reicht das.
Später gibt es Kirschen. Die Verteilung ist ungleich, die Reaktion ehrlich. Es wird gestritten, geglättet, gegessen. Kein großes Drama, keine pädagogische Lösung. Sondern eine Art, Dinge zu regeln, ohne sie zu zerreden. Am Ende bleibt eine gemeinsame Erfahrung – und die Einsicht, dass Freundschaft kein Ideal ist, sondern ein Vorgang.
Auch auf der Leinwand ein Abenteuer
Die Geschichte von Franz, Johnny und Waldemar lebt längst auch im Kino weiter. Mullewapp – Das große Kinoabenteuer der Freunde (2009) verlegt die vertrauten Figuren in eine größere Handlung. Ein entführtes Schaf, ein böser Wolf, eine Insel, ein Kochtopf – aus kleinen Beobachtungen wird ein dramaturgischer Bogen.
Und doch bleibt vieles, wie es ist. Johnny ist nicht der Held, den er vorgibt. Waldemar fürchtet das Wasser. Franz versucht, alles zusammenzuhalten. Erst als sie wirklich gemeinsam handeln, wird daraus eine Rettung. Die Bildsprache ist digitalisiert, aber die Idee bleibt: Einer denkt, einer zweifelt, einer macht. Und alle drei wissen, dass sie nur zusammen weiterkommen.
Was bleibt
Freunde ist ein Buch, das nichts will und dabei alles trifft. Es erzählt vom Tag, von kleinen Abenteuern, vom Zusammensein und vom Auseinandergehen. Es erklärt nichts. Es vertraut darauf, dass Kinder – und alle, die sich das Lesen nicht abgewöhnt haben – verstehen, worum es geht:
Einer ruft. Einer rudert. Einer sitzt auf dem Loch. Und das genügt.
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