Prag, Anfang Oktober. Ivan Klíma ist tot. Der tschechische Autor starb im Alter von 94 Jahren. Es ist ein stilles Ende für einen, dessen Leben von Lärm, Verboten und ideologischen Frontlinien durchzogen war – und der es dennoch verstand, mit lakonischer Klarheit zu schreiben, ohne sich in Anklagen zu verlieren.
Geboren 1931 als Ivan Kauders, überlebte er als Kind das Ghetto Theresienstadt, wurde in der Nachkriegs-Tschechoslowakei ein gefeierter Dramatiker, später ein unerwünschter Autor. Die Biographie liest sich wie ein Katalog politischer Zumutungen: Erst staatlich hofiert, dann verstoßen, schließlich publizistisch ins Exil gedrängt. Klíma war kein Rebell im klassischen Sinn, sondern ein stiller Zweifler, dessen Texte die Verwerfungen seiner Zeit mit nüchternem Blick vermessen.
In seiner Prosa – etwa in Liebe und Müll oder Warten auf Dunkelheit, warten auf Licht– treffen persönliche Moralphilosophie, alltäglicher Pragmatismus und die Fragmente einer zerrissenen Welt aufeinander. Die große Erzählung liegt bei ihm oft im Nebensatz, der Bruch im scheinbar Routinierten. Seine Sprache bleibt dabei sachlich, selten ausgreifend, nie sentimental. Selbst in den Berichten über Theresienstadt vermied er große Gesten – und erinnerte lieber an die Sprache, die das Überleben ermöglichte: die der Zwischenräume.
Dass er in der ČSSR jahrzehntelang Publikationsverbot hatte und sich als Vermesser und Trickfilmtexter durchschlagen musste, hat sein Schreiben nicht beschädigt – vielleicht hat es ihm erst die Ernsthaftigkeit verliehen, die seine Bücher bis heute lesbar macht. Sein Verhältnis zu Deutschland nannte er „unverkrampft“, und dass er die deutsche Sprache nicht für ihre Missbraucher verantwortlich machte, war mehr als eine Geste: Es war Ausdruck einer Haltung, die nicht nach Kollektivschuld, sondern nach individueller Verantwortlichkeit fragte.