Jojo Moyes kehrt mit „Ein ganz besonderer Ort“ zu einem früheren Romanstoff zurück – jedoch neu übersetzt und überarbeitet. Was in Deutschland einst als „Suzannas Coffee-Shop“ erschien, liegt seit 28. August 2025 in frischer Fassung vor: die Geschichte einer Frau, die Zugehörigkeit sucht – und sie ausgerechnet dort findet, wo man Cappuccino, Trost und zweite Chancen ausschenkt: im Peacock Emporium. Wer Moyes’ große Publikumserfolge liebt, bekommt hier die klassischen Stärken (Herz, Humor, Wendungen) – plus das Motiv Selbstermächtigung durch Arbeit. (Rowohlt; Übersetzung: Karolina Fell.)
Handlung von Ein ganz besonderer Ort
Suzanna Peacock kehrt ihrem teuren Londoner Leben den Rücken und zieht mit Ehemann Neil in die Provinz zurück. Was wie Stabilität klingen soll, fühlt sich an wie Gleichgültigkeit mit Vorgarten. Der familiäre Schatten ist groß: eine glanzvolle, abwesende Mutter, ein kompliziertes Verhältnis zum Vater und zur Stiefmutter, dazu die Frage, ob die Ehe mit Neil wirklich trägt. Als Suzanna das Peacock Emporium eröffnet – halb Café, halb Laden, ganz Projekt gegen das innere Leerlaufen –, entsteht ein Ort, an dem Menschen hängenbleiben, statt nur vorbeizugehen.
Dort findet sie, was ihr bisher fehlte: Freunde (statt höflicher Bekannter), Routine (statt Tretmühle) und ein Gefühl von „Ich kann das“. Und da ist Alejandro, der rätselhafte Neuzugang mit eigener Vergangenheit (in manchen Ausgaben als Zugezogener mit argentinischen Wurzeln beschrieben) – kein Posterboy, sondern jemand, der zuhört.
Zwischen Tresenarbeit, Lieferlisten und Dorfgerede wächst das, was Moyes am besten kann: leise Nähe, die den lauten Lebenslärm sortiert. Natürlich bleibt es nicht bei Kuchen und Gesprächen – eine dramatische Zäsur zwingt Suzanna, das Emporium nicht nur als Geschäft, sondern als Halt zu begreifen. (Die Neuausgabe rahmt das alles klar als Wiederentdeckung von „Suzannas Coffee-Shop“/„The Peacock Emporium“.)
Zugehörigkeit, Arbeit, zweite Chancen
Arbeit als Identitätsmaschine: Das Peacock Emporium ist nicht „Deko“, sondern Figurenmotor: Hier arbeitet sich Suzanna an sich selbst ab – Kundinnen, Lieferanten, Pläne, Rückschläge. Arbeit wird zur Anti-Ohnmachts-Routine.
Familiennarrative vs. Selbstbeschreibung: Die glänzende Mutterfigur und der komplizierte Clan liefern einen Rahmen, in dem Suzanna lange nur Zuschauerin ist. Erst das Café erlaubt eine eigene Erzählung – nicht in großen Gesten, sondern in kleinen Entscheidungen.
Liebe als Nebenwirkung, nicht als Rettungsfahrzeug: Moyes schreibt die Anziehung zwischen Suzanna und Alejandro ohne Kitsch: Nähe entsteht aus Aufmerksamkeit und Verlässlichkeit, nicht aus Plotmagie. (Ältere Klappentexte nennen explizit Alejandros Hintergrund; die Neuausgabe bleibt bei „rätselhaft“ – die Richtung ist klar.)
Orte, die Menschen werden: Der Titel ist wörtlich: Das Emporium wird zu einer sozialen Figur – ein Raum, der Hoffnungen ordnet und Fehler verzeiht.
Kleinstadt und Klassengefüge
Moyes erzählt Kleinstadt und Klassengefüge ohne Nostalgie. Man spürt, wie Ruf, Gerüchte und ErwartungenLebensläufe steuern – und wie schwer es ist, nein zu Rollen zu sagen, die andere für einen geschrieben haben. Dass der Roman als Neuausgabe eines früheren Textes erscheint, macht aus der Lektüre fast ein Zeitgespräch: Was galt 2004/2007 als romantisch, was erscheint heute als Arbeit an sich? Der Verlag bewirbt die Fassung explizit als „Wiederentdeckung in neuer Übersetzung und Bearbeitung“ – man liest also Gegenwart in einer aufgeräumten Vergangenheit.
Warmherzig, pointiert, mit Alltagssensorik
Moyes’ Markenzeichen: dialoggetriebene Szenen, Alltagsbeobachtung und das sichere Timing für emotionale Knoten. Die neue Fassung liest sich glatt und modern, ohne den Wohlfühl-Takt zu verlieren. Dass Karolina Fell übersetzt hat, merkt man an der Rhythmik: knapp, unaufgeregt, nah an den Figuren. Wer Moyes wegen „Ein ganzes halbes Jahr“ liebt, findet hier weniger Tränenökonomie, dafür mehr Alltagsarbeit – und genau darin liegt die Reife.
Für wen eignet sich „Ein ganz besonderer Ort“?
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Leser von bewegenden Liebesromanen, die Figurenentwicklung wichtiger finden als Twist-Feuerwerk.
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Buchclubs, die über Familienbilder, Selbstständigkeit und zweite Chancen sprechen möchten.
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Moyes-Einsteiger, die einen in sich geschlossenen Roman suchen – kein Reihenwissen nötig.
Kritische Einschätzung – Stärken & Schwächen
Stärken
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Ort als Figur: Das Emporium funktioniert als Beziehungs-Infrastruktur – selten so stimmig gelesen.
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Lebensnähe statt Kitsch: Konflikte (Ehe, Herkunft, Erwartungen) werden alltagspräzise ausgespielt.
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Übersetzungsfrische: Die neue Bearbeitung poliert Rhythmus und Ton – die Geschichte wirkt heutiger.
Schwächen
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Vertraute Tropes: Wer Moyes kennt, erkennt Muster (Struggle → Community → Zäsur → Re-Start).
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Tempo in der Mitte: Zwischen Aufbau des Ladens und emotionaler Zuspitzung kann der Roman entschleunigen.
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Alte DNA: Einige Kritiker bemängeln, dass man die frühe Vorlage noch spürt – je nach Erwartung Charme oder Delle.
Warum dieser Roman bleibt
„Ein ganz besonderer Ort“ ist kein Schicksalsoper, sondern Beziehungsarbeit in Kaffeetassen-Größe. Moyes zeigt, wie Selbstständigkeit Zugehörigkeit stiften kann – und wie Liebe entsteht, wenn Menschen verlässlich werden. Wer ein Buch sucht, das warmherzig ist, ohne harmlos zu werden, ist hier richtig. Empfehlung: lesen, anschließend kurz das eigene Lieblingscafé anrufen.
Über die Autorin – Jojo Moyes
Jojo Moyes (1969, London/Essex) arbeitete als Journalistin (u. a. beim Independent) und wurde mit „Ein ganzes halbes Jahr“ international bekannt. Ihre Romane mischen Gefühl, Humor und sozialen Blick; viele liegen auf Deutsch bei Rowohlt vor. „Ein ganz besonderer Ort“ ist die neu bearbeitete Fassung von „Suzannas Coffee-Shop“ / „The Peacock Emporium“. Übersetzung: Karolina Fell.
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