Zwischen Drachenjagd, Liebesduell und einem Wald, der Kinder behalten will, stellt „Das Schwert der Vorsehung“ die Weichen für alles, was The Witcher später groß macht. Andrzej Sapkowski versammelt hier sechs Kurzgeschichten, die aus dem episodischen Monsterhandwerk eine Bindungsgeschichte formen – vor allem durch die erste Begegnung von Geralt und Ciri.
Das Schwert der Vorsehung (Witcher 2) von Andrzej Sapkowski: Schicksal hat Kanten
Wer nach „Der letzte Wunsch“ wissen will, warum diese Welt länger nachhallt als ein Schwertschlag, findet hier die Antwort: Schicksal ist kein Orakel, sondern ein Beziehungsversprechen – mit Preis. (Poln. Erstausgabe 1992; dt. seit den späten 1990ern, neu aufgelegt bei dtv.)
Handlung von Der letzte Wunsch:
Der Band besteht aus sechs Geschichten, locker chronologisch geknüpft – und jeweils mit einem moralischen Haken.
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„Die Grenzen des Möglichen“: Geralt lässt sich entgegen Hexer-Kodex auf eine Drachenjagd ein – nicht wegen Gold, sondern weil Yennefer im Trupp ist. Der Auftrag enttarnt Interessenkonflikte: König, Zwerge, Reavers, Magier – alle jagen, aber nicht dasselbe. Und dann taucht ein goldener Drache auf, der die Regeln ändert.
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„Ein Eissplitter“: Ein Dreieck in Aedd Gynvael – Geralt, Yennefer, Istredd. Liebe trifft Berufsethos; das „Eis“ im Titel ist weniger Wetter als Wahrheit: Gefühle gegen Selbstbild, Stolz gegen Zuneigung.
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„Ewige Flamme“: In Novigrad gerät Geralt zwischen Banker, Spitzel und Doppler Dudu. Der eigentliche „Monster“-Plot kippt in Wirtschaftskrimi – mit der Frage, wer in einer Stadt die Geschichte erzählen darf: das Geheimamt oder die Ewige Flamme.
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„Ein kleines Opfer“: Meer, Balladen, Essi Daven. Eine zarte, schmerzhaft leise Episode über Anziehung, Nicht-Passen und die erwachsene Variante von Verzicht.
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„Das Schwert der Vorsehung“: Im Brokilon, dem Wald der Dryaden, stößt Geralt auf ein Mädchen, das ihn aus einer Mischung aus Trotz und Staunen ansieht: Ciri. Aus einer Rettung wird Bindung – nicht magisch, sondern erzählerisch unumkehrbar.
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„Etwas mehr“: Der direkte Vorlauf zur Roman-Saga. Ein verletzter Geralt, eine Reihe schicksalstüchtiger Zufälle – und die Erkenntnis, dass „mehr“ immer jemand meint. (Die engl. Übersichtsseite nennt genau diese Brückenfunktion der letzten beiden Stories.)
Der Reiz des Bandes: Jede Episode funktioniert für sich – und doch spürt man, wie sich Fäden spannen. Was als Beruf beginnt, endet als Verantwortung.
– Vorsehung, Verträge, Verwandlungen
Schicksal als Beziehungsgeschichte: „Vorsehung“ ist bei Sapkowski kein Souffleur aus dem Off. Sie entsteht, wenn Menschen Entscheidungen nicht zurücknehmen: Geralt/Yennefer, Geralt/Ciri. Deshalb fühlt sich die Ciri-Begegnung im Brokilon unvermeidlich an – nicht wegen Prophezeiung, sondern wegen Narrativdruck.
Kodex vs. Leben: In der Drachenjagd prallen Prinzipien auf Praxis. Der Hexer-Kodex ist schön ordentlich; die Welt ist es nicht. Wer auf dem Papier neutral bleibt, lügt sich in der Praxis oft an.
Maske & Identität: Der Doppler-Fall ist mehr als Comedy: Er zeigt, wie Rollen (Händler, Beamter, Gläubiger) Wahrheiten produzieren. In Städten regieren Erzählrechte – nicht Schwerter.
Liebe ohne Schonwaschgang: „Ein Eissplitter“ zerstäubt Romantik nicht, es prüft sie. Der Ton ist erwachsen: Bindung kostet, Eitelkeit noch mehr.
Warum das 2025 so sauber trifft
Die Witcher-Texte entstanden in einer Zeit politischer Umbrüche. Sapkowski traut Institutionen nicht und liebt Grauzonen – ein Ethos, das bestens in Gegenwartsdebatten über Deutungshoheit, Propaganda und Identitätspolitik passt. Die Novigrad-Episode liest sich wie ein Vorläufer heutiger Informationskriege (Kirche vs. Geheimdienst vs. Handel), die Brokilon-Story wie ein Kommentar zu Kollektiv vs. Selbstbestimmung. Kein „Epic“ der Banner, sondern Mikropolitik im Alltag – und genau deshalb modern.
Dialoge, die schneiden; Szenen, die tragen
Sapkowski schreibt dialoggetrieben. Ironie ist Werkzeug, nicht Deko; Pointen sind Seziermesser. In der starken dt. Übertragung (u. a. Erik Simon) bleibt dieser Ton knapp und präzise. Stilistisch arbeitet der Band mit Genre-Überblendungen: High Fantasy (Drachen) trifft Stadt- und Wirtschaftssatire (Novigrad), Märchen trifft Erwachsenenpsychologie („Ein kleines Opfer“). Der Effekt: Man liest schnell – und denkt lange.
Für wen eignet sich „Das Schwert der Vorsehung“?
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Leser, die bei Fantasy Ethik- und Dialogdruck bevorzugen statt Völkerkundelehrgang.
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Buchclubs, die über Wahlverwandtschaft (Geralt–Ciri), Neutralität vs. Parteinahme und Masken in der Großstadt sprechen möchten.
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Serien- und Game-Fans, die verstehen wollen, warum Novigrad, Brokilon und die Yennefer-Dynamik im Franchise so viel Gewicht haben.
Kritische Einschätzung – Stärken & Schwächen
Stärken
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Brückenfunktion: Der Band schließt klug die Lücke zwischen Episoden und Saga – besonders durch Ciri und „Etwas mehr“.
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Themenvielfalt: Von Liebesethik bis Stadtpolitik – alles trägt, nichts wirkt angeklebt.
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Szenisches Schreiben: Dialoge mit Biss, Szenen, die ohne Exposition funktionieren.
Schwächen
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Zickzack der Tonlagen: Wer gleichmäßiges „episch“ erwartet, stolpert über Comedy-Novigrad vs. Tragik-Brokilon.
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Romanerwartung: Der Kurzgeschichten-Takt kann Leser irritieren, die nach einem durchgezogenen Plotbogen suchen.
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Lore-Dichte: Namen/Fraktionen verlangen kurz Aufmerksamkeit – die Belohnung folgt in den Romanen.
Warum dieser Band bleibt
„Das Schwert der Vorsehung“ ist der emotionale Motor der Witcher-Reihe. Hier lernt man, warum Geralt nicht nur Verträge erfüllt, sondern Verantwortung übernimmt – und warum Ciri mehr ist als eine Figur: Sie ist die Entscheidung, die Geralt nicht mehr zurücknimmt. Die Texte sind witzig, düster, präzise – und lassen genau jene Fragen stehen, die man mit ins nächste Buch tragen will. Klare Empfehlung: erst „Der letzte Wunsch“, dann „Das Schwert der Vorsehung“ – und direkt weiter zur Saga.
Über den Autor – Andrzej Sapkowski
Andrzej Sapkowski (1948, Łódź) gilt als Schlüsselfigur der europäischen Fantasy. Seine Witcher-Texte mischen slawische Mythologie mit skeptischer Moderne – mehrfach ausgezeichnet und in stabilen dtv-Neuausgaben verfügbar. Die deutsche Erstauflage dieses Bandes erschien 1998 (Heyne), Übersetzung: Erik Simon; seit 2008/2009 führt dtv den Titel in neuen Editionen
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