Loreth Anne Whites Die Frau in den Fluten (Original: The Swimmer) führt an eine windgepeitschte Küste im Pazifischen Nordwesten, wo eine unscheinbare Nachbarin eine Szene beobachtet, die ihr Leben zerreißt: Eine Schwimmerin wird im Morgennebel von einem Motorboot erfasst. War es ein Unfall – oder Mord? White verbindet Nachbarschaftsdrama, Influencer-Scheinwelt und Küsten-Noir zu einem Thriller über Wahrnehmung und Schuld. Die deutsche Ausgabe ist neu auf dem Markt; Handlungsanker sind Chloe Cooper, Jemma Spengler (Influencerin) und Adam, ein angesehener Chirurg.
Inhalt von „Die Frau in den Fluten“: Nebel, Küste und eine Zeugin wider Willen
Chloe Cooper hält ihr Leben mit drei Jobs zusammen: Hunde ausführen, Barkeepern, pflegebedürftige Mutterversorgen. Aus der Distanz beobachtet sie das makellose Paar nebenan – Jemma und Adam Spengler –, bis am Strand das Unfassbare geschieht: Im dichten Nebel sieht Chloe, wie eine Schwimmerin von einem Motorboot gerammt wird. Sie ist überzeugt, kein Unfall – sondern ein Verbrechen. Als Polizei, Gerüchte und Social Media die kleine Küstengemeinde aufheizen, verstrickt sich Chloe tiefer in die Affäre, als gut für sie ist. Mehr verraten wir nicht: Wer wem trauen kann und wer beobachtet wen, bleibt lange unsicher – genau daraus beziehen Plot und Wendungen ihren Reiz.
Schauplatz & Atmosphäre: Pazifischer Nordwesten statt glatter Vorstadt
Der Roman wirkt, als würde Salznebel durch die Seiten ziehen: Wetter, Gezeiten und Weite formen Blick und Stimmung. Mehrere Rezensionen verorten Chloes Viertel nahe Vancouver – eine Küstenstadt mit kaltem Wasser, Buchten, Yachthäfen. White benutzt den Ort nicht als Postkarte, sondern als Dramaturgie: Nebel löscht Konturen, Wellen verwischen Spuren – genau so bricht der Text Gewissheiten an.
Voyeurismus, Influencer-Fassade, Erinnerungslücken
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Blicken & Geblicktwerden: Chloe schaut – aber auch auf sie fällt ein Licht. Das Buch zerlegt den Reiz, fremde Leben zu deuten, und zeigt die Gefahr, aus Lücken Geschichten zu stricken.
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Influencer-Ästhetik vs. Realität: Jemma und Adam leben eine kuratierte Oberfläche. Das Spannende ist nicht „böse Social Media“, sondern wie Selbstdarstellung Ermittlungen und Wahrnehmung färbt.
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Trauma & Gedächtnis: Nebel ist hier Motiv und Metapher: Aussagen sind fragmentarisch, Bilder mehrdeutig – die Wahrheit liegt zwischen Versionen.
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Machtgefälle & Respektabilität: Titel, Geld, Reichweite – wer glaubwürdiger wirkt, setzt sich durch. White stellt der glänzenden Spengler-Fassade Chloes prekäre Lage gegenüber.
Mehrstimmiger Psychothriller mit Doku-Einsprengseln
White erzählt kapitelkurz, mit Cliffhangern und Perspektivwechseln zwischen den zentralen Figuren. Berichte aus der Rückschau und interviewartige Passagen schieben zusätzliche Ebenen ein – fast wie in einem True-Crime-Podcast, nur literarisch gebrochen. Das schafft Tempo und lädt zum Mitermitteln ein, ohne den Überblick zu verlieren.
Warum Küstengewässer perfekte Tatorte sind
Küsten-Thriller leben vom Unfall-Schein. Boote, Strömungen und Sichtverhältnisse liefern plausible Zufälle, hinter denen sich Absicht verbergen kann. White nutzt das konsequent: Nebel + Distanz + Motorlärm machen die Szene glaubhaft – und gleichzeitig deutungsoffen. Dass der Roman im Pazifikraum spielt, verleiht der Geschichte realen Topos-Sog (Buchten, Kaltwasser, Kanäle), den man auch aus der regionalen Kriminalliteratur kennt.
Für wen eignet sich „Die Frau in den Fluten“?
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Psychothriller-Leser, die Wahrnehmungsfallen mögen – ohne Splatter, mit atmosphärischem Druck.
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Buchclubs: Tauglich für Gesprächsrunden zu „Was macht ein verlässliches Zeugnis aus?“ und „Wie beeinflusst Social-Media-Glamour unsere Urteile?“.
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Fans von Küsten-Noir und Domestic-Noir, die das Meer als Gegenspieler schätzen.
Kritische Einschätzung – Stärken & mögliche Schwächen
Stärken
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Küsten-Setting als Spannungsmaschine: Wetter, Sicht, Gezeiten – die Umwelt arbeitet mit der Handlung.
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Mehrstimmige Struktur: Perspektivwechsel + Rückschau/Interview geben Sog und Rätseltiefe.
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Zeitdiagnose: Der Blick auf Influencer-Selbstinszenierung trifft den Nerv – ohne platt zu urteilen.
Mögliche Schwächen
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Konstruktion & Zufälle: Einzelne Leserinnen/Leser empfinden bestimmte Entwicklungen als stark getaktet oder klischeenah.
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Sympathiegrad: Figuren sind fehlerhaft und nicht auf Gefälligkeit geschrieben – das ist Absicht, kann aber distanzieren.
Über die Autorin: Loreth Anne White – Thriller aus dem Regenwaldgürtel der Westküste
Loreth Anne White stammt aus Südafrika, lebt heute in den Coast Mountains an Kanadas Westküste und ist für Thriller, Mystery und Romantic Suspense bekannt. Diese Nähe zur Landschaft spürt man in ihren Küsten- und Bergsettings – zuletzt u. a. in Beneath Devil’s Bridge und weiteren Standalones.
Lohnt sich „Die Frau in den Fluten“?
Ja. Der Roman ist ein atmosphärischer Psychothriller über Blicke, Bilder und Beweise. White nutzt das Küsten-Setting nicht als Deko, sondern als Ermittlungsrisiko: Nebel, Wasser, Distanz – alles macht die Wahrheit schwerer greifbar. Wer Thriller mit mehrdeutigen Zeugnissen, sozialem Glanz und moralischem Rauschen sucht, bekommt hier einen pageturner-tauglichen Stoff mit Diskussionswert.
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