Sieben Jahre nach Urfins erster Niederlage ist der Tischler noch lange nicht müde. Aus dem Schatten erhebt sich Urfin erneut – dieses Mal nicht mit Holzklötzern, sondern mit List und falschem Versprechen. Er findet Karfax, den mächtigen Adler, pflegt ihn, nutzt das Vertrauen und erklärt sich selbst zum „Feuergott“ der Marranen – einem Volk, das nie viel Wissen, aber viel Kampfgeist gehabt hat. Die Handlung entfaltet sich als Spiegel von Herrschaftssehnsucht und politischer Manipulation: Elli ist nun Lehrerin in spe, Cousine Ann wächst nach, und Tim baut Sonnen-Maultiere, die den Rückweg ins Zauberland bahnen. Es folgt ein Konflikt, der weniger Abenteuer ist als Prüfung – und der zeigt, was passiert, wenn Macht ohne Herz regiert.
Inhalt auf den Punkt
Ann und Tim reisen mit Arto, dem Enkel von Totoschka, ins Zauberland. Dort treffen sie auf die Marranen: stolze Springer, die sich Urfins Propaganda beugen – bis beim Volleyballspiel ihre Kameraden erkannt werden: erlogener Verrat offenbart. Die Rebellion beginnt im Spiel, bricht im Volk. Urfins Lüge scheitert nicht durch Aktion, sondern durch Wahrheit und Gemeinschaft – ein poetisches Ende für ein politisches Märchen.
Für junge Leser: Bühne für Empathie und Mitdenken
Für Grundschulkinder, die beim Lesen schon geübt sind, geht dieser Band einen Schritt weiter: neue Figuren, komplexere Zusammenhänge, ein Machtapparat im Spiel. Doch Wolkow verliert die Leichtigkeit nicht. Die Sprache bleibt eingängig, die Kapitel kurz und klar segmentiert. Die moralische Komplexität entsteht still – als Teil der Geschichte, nicht als erhobenes Wort. Für Kinder ist das ein Raum zu wachsen: nicht durch Belehrung, sondern durch Mitdenken.
Wladimirski zwischen Hoffnung und Schatten
Wladimirski setzt dieses Kapitel in warme Farbtöne und kühle Schatten. Er illustriert keine Uniformen, sondern Haltung: Urfin mit scharf geschnittenem Schatten, Karfax majestätisch im Flug, Marranen in Reihe und Glied, doch nie seelenlos. Ann und Tim sind zart gezeichnet – kindlich, ernst und hoffnungsfroh. Die Illustrationen machen sichtbar, was der Text erzählt: Selbstbestimmung gegen Manipulation, Spiel gegen Lüge. Und wieder: leichte Verschiebung zwischen Bild und Text – kein Fehler, sondern Rhythmus zweier eigener Erzählmelodien.
Herrschaft, Lüge, Erkenntnis
Hier zeigt sich Wolkow als sozialer Denker: Manipulation ist mächtiger als Gewalt, aber Wahrheit stärker als Gewalt. Urfin ist kein Dämon – er ist egogetrieben und ungeduldig. Die Marranen sind nicht Opfer, sondern fehlgeleitet – bis sie erkennen und handeln. Ann und Tim symbolisieren Hoffnung und Aufbau, während Arto, als Erbe von Toto, Verbindendes schafft. Die moralische Kraft der Gemeinschaft triumphiert über illusionsverliebte Machtsucht.
Illustrativ bedeutet das: Wladimirski malt keine Ideologie, sondern innere Haltung. Figurenposen vermeiden Pathos – realistischer Ausdruck im spielerischen Staunen, im Zweifeln und Entscheiden.
Ein Spielplatz der Ethik
„Der Feuergott der Marranen“ ist weniger Abenteuer, mehr Lektion – ohne belehrend zu sein. Ein Buch, das junge Lesende fordert, ohne sie zu überfordern. Es zeigt, wie Macht entsteht, wie sie scheitern kann – und wie Gemeinschaft und Wahrheit siegt. Für Kinder, die Lesen gelernt haben und neugierig sind auf große Fragen, ist dieser Band ein wichtiger Schritt. Und: leisten die Illustrationen Wladimirski wieder großartiges Begleitwerk – sanft, aber bestimmt.
Über Autor & Illustrator
Alexander Wolkow erschafft mit Band 4 keinen reinen Rückblick, sondern eine andere Perspektive: Macht als Versuchung, Gemeinschaft als Heilmittel – ohne Ideologie, mit literarischer Intelligenz. Leonid Wladimirski, der „verdiente Künstler“, liefert mehr als Bilder: Er malt Stimmungen, die in den Text hineinwirken – leise, ausdrucksstark, atmosphärisch.
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