In der neuen Ausgabe des Monopol-Podcasts "Fantasiemuskel" spricht die Schriftstellerin Nora Bossong über die Grenzen und Möglichkeiten künstlerischer Werke hinsichtlich politischer Debatten. Oft fehle dabei der Blick über die eigenen Disziplingrenzen hinaus, so Bossong. Allzu einfache Erklärungsansätze lehnt die Autorin ab.
Es besteht ja immer die Gefahr, dass politisches Engagement mehr Trend als ernst gemeinter Kampf sein könnte, ebenso wie das Soziale in vielen WG-Küchen solange in die Höhe gehalten wird, bis es heißt: Sich selbst für andere einschränken, zurückstecken, auf der Strecke bleiben. Nirgends ist das Politische als Nebentätigkeit leichter auszuüben als in der Kunst, wo mit inbrünstig geschriebenen Konzepten sogar das ein oder andere Stipendium abzugreifen ist. In der Kunst, lohnt sich das Politisch-Sein. Jeden Tag verbessert man die Welt ein klein wenig, und tut dies aus einem sicheren, kleinen, elitären Zirkel heraus, während draußen komischerweise trotzdem alles irgendwie vor die Hunde geht, was sowohl für die Ausschreibungen Ausschreibenden wie auch für die sich auf diese Ausschreibungen bewerbenden eine wunderbare Sache ist, ein sich selbst erhaltenes System.
Wer sich ernsthaft mit dem Künstlerischen - und also auch mit den Möglichkeiten und Grenzen der Kunst - befasst, der kann in der aktuellen Ausgabe des Monopol-Podcasts "Fantasiemuskel" einem interessantes Gespräch beiwohnen. Zu Gast ist die Schriftstellerin Nora Bossong, die, im Rahmen der besagten Thematik, explizit über die politische Gestaltungskraft der Literatur spricht. Wie kann das geschriebene Wort gegenwärtig wirksam werden, wo seine Wirkung entfalten? Darüber diskutiert Bossong mit Friedrich von Borries und Torsten Fremer.
Immer der Kapitalismus
Schnell wird klar, dass es Bossong vor allem um die Wahrnehmung gewisser Grenzen geht. Übersehe man diese Grenzen, bestehe "die Gefahr, sich zu übernehmen und Menschen dann vorzugaukeln, die Kunst könne wirklich etwas verändern.", so Bossong, die recht kritisch auf aktuelle pseudopolitische künstlerische Diskurse blickt. "Da fehlt mir auch manchmal ein Blick über die eigenen Disziplingrenzen hinaus", sagt die Schriftstellerin.
Bossong betont zu recht, dass allzu schnell der Kapitalismus für sämtliche Probleme herhalten muss. Eine Verknappung aus Bequemlichkeit, mit der häufig eine Gut-Böse-Dichotomie einhergeht, die die Welt klar einteilt und einen Gegner setzt, dessen Bekämpfung die eigene künstlerische Existenz sichert. Dass der Kapitalismus ein janusköpfiges Konstrukt ist, welches unzählige Ein- und Ausgänge, Seitenwege und Fluchtrouten bietet, wird in dieser Setzung oftmals vergessen. Ebenso die Tatsache, das dieser scheinbar hartnäckige Gegner "Kapitalismus" allzu oft zum duften Kumpel wird, und in das ein oder andere Hinterzimmerchen einlädt.
Bossong, die scheinbar sehr genau weiß, dass eine valide Kapitalismuskritik immer auch rabiate Selbstkritik voraussetzt, sieht die Literatur im Hofe der Politik allerdings nicht als einen ohnmächtig umherirrenden Akteur. So könne die Literatur durchaus dazu beitragen, eine "Flexibilität im Denken" hervorzubringen. Sie stärke "unsere Fähigkeit, uns Alternativen vorzustellen. Wie könnte die Welt in 30 Jahren aussehen? Ist es unabwendbar, dass sie schlechter aussieht und wenn es nicht unabwendbar ist, was können, was müssen wir tun?"