Im Schatten von Schlägel und Eisen

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- 3 Seiten -

Chronik einer Bergarbeiterfamilie im Ruhrgebiet ab Achtzehn- hundertfünfundsechzig

(Eine wahre Familiengeschichte)

Im Jahre Achtzehnhundertfünfundsechzig lebte in dem abgelegenen Dorf Kleyberg, in der Nähe von Stockum, eine junge Familie.

Ich möchte ein bisschen aus ihrem Leben erzählen. Der Mann war von Beruf Bergmann, seine Frau Haus-

frau und Mutter. Sie waren noch sehr jung. Die ersten fünf Kinder kamen schnell; jedes Jahr eines. Da gab es viel, viel Arbeit.


Endlich kam die Hebamme. "Na, Frau Biel, das ist doch fein, dass es das Baby so eilig hat, da haben sie bis zur Konfirmation alles hinter sich. Es ist ja gleich soweit, nur Mut.

Sie kleines Fräulein, machen heißes Wasser." "Johanna, bring mich nach oben, du weißt doch, die Möbel kommen gleich." "Oh, Mutter, das habe ich ganz vergessen. Wie kannst du nur jetzt daran denken?" "Mimmi und Elisabeth kommen auch aus der Schule. Halte sie unten fest, bis alles vorbei ist. Wo ist August? Johanna, den haben wir ganz vergessen." "Frau Biel, regen sie sich nur nicht auf, der ist so pfiffig, hat sich bestimmt versteckt."

Mutter schrie so laut, dass es Johanna unten hörte, dann war es wieder ein paar Minuten still. Johanna suchte alles ab und rief immer wieder: "August, bitte komm aus deinem Versteck!" Aber es rührte sich nichts. Vor Angst merkte sie gar nicht, dass die Mädels gekommen waren. "Johann, was ist denn los, warum weinst du so?" "Ach, Kinder, Mutter bekommt ihr Baby und August ist weg. Ich habe in jeden Winkel nachgesehen, er ist nirgends zu finden." "Darum brauchst du doch nicht weinen. Der spielt uns mal wieder einen Streich." "Hoffentlich habt ihr Recht. Jetzt esst und macht eure Schulaufgaben." "Nein, wir wollen erst zu Mutter." "Elisabeth, ihr seid doch vernünftig, ein bischen müsst ihr noch warten." Endlich kam Vater. Johanna lief ihm entgegen. "Komm schnell zu Mutter!" "Johanna, es ist doch nichts passiert, beruhige dich." Vater nahm immer drei Stufen auf einmal. Die Hebamme rief: "Es wird höchste Zeit. Ich glaube wir brauchen einen Arzt." Er rannte gleich los, so schwarz wie er war. Jetzt kamen auch Fritz, Johann und Wilhelm. Sie konnten kaum etwas aus Johanna raus kriegen, so aufgeregt war sie. Als sie hörten, dass Vater den Arzt holen musste wurden sie auch unruhig. Fritz sagte nur immer: "Beruhige dich, Johanna, es ist gleich vorbei." Aber diesmal war es doch schwieriger. Als Vater mit dem Arzt kam dauerte es nicht mehr lange. Alle atmeten auf, ein kleines Mädchen, mit grauschwarzen Haaren. Vater musste erst seinen Kohledreck abwaschen, erst durfte er das Zimmer nicht betreten, und dann nur ganz kurz.

"Ihre Frau braucht äußerste Ruhe." Vater weinte das erste Mal, dass es seine Kinder sahen. Er hatte den ganzen Tag gebetet: "Lieber Gott, lass sie nicht sterben." "Aber Johann," sagte Mutter "es ist vorbei." "Mein Liebes, ich verspreche dir, es war das letzte Mal." Mutter nickte nur, sie war so erschöpft. Die Kinder durften nicht zu ihr, vielleicht Morgen. Sie musste unbedingt schlafen. Als sich alle ein bischen beruhigt hatten fragte Vater: "Wo steckt August denn?" "Oh," sagte Johanna "das habe ich ganz vergessen. Er ist schon den ganzen Mittag weg. Mimmi meinte, der hat sich versteckt." "Aber doch nicht den ganzen Nachmittag. Jungs, wir müssen ihn suchen." Er war einfach nirgends zu finden.

Oma traf fast der Schlag. "Mein Bub, du bist doch nicht ganz allein gekommen?" "Aber Junge," rief Großvater "weiß Mutter, das du hier bist?"

"Nein," sagte August "die ist ganz krank. Sie hat so laut geschrien, da bin ich vor Angst weggelaufen." "Mein Gott, Vater, schnell hol meinen Mantel!" August fragte: "Oma, kann ich nicht hier bleiben?" "Ja," sagte Opa "dann bist du schneller da. Was denkst du, wie die den Kleinen suchen. Es glaubt doch keiner, das der Knirps den Weg zu uns findet." "Junge, wie kannst du so was machen?"




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