Von Schlümpfen und blauen Häusern

Vorlesen

An Tagen, an denen die liebe Sonne scheint und unsere Herzen mit Wärme und Hoffnung flutet, gehe ich ganz besonders gern spazieren. Meist laufe ich immer dieselben Runden mit meinen zwei Vierbeinern. Mittlerweile haben sich bei den verschiedenen Routen auch entsprechende Titel etabliert. So gibt es da die Blaue Haus-Runde. Das Blaue Haus ist ein Einfamilienhaus in unserer hiesigen Siedlung, das blauweiß und mit Schalke 04-Schriftzug bemalt worden ist. Muss ein echter Fan sein, der da wohnt. Sein Nachbar hat stattdessen die Modelleisenbahn im Vorgarten stationiert. Familie Schlumpf steht an den Gleisen und wartet auf den Zug. Ein ulkiges Fleckchen Erde da, in dieser Siedlung. Ich muss immer schmunzeln, wenn ich hier bin. Die Runde ist ca. 4km lang und für entspannte Morgen- und Abendspaziergänge geeignet. Zweite Route, Büffelrunde. Eine ca. 7Km lange Strecke, die entlang unseres örtlichen kleinen Bächleins führt und wo braune, dick befellte Bisons auf endlos weiten Wiesen grasen. Dritte Route, Gut Graßdorf. Ein Reitgestüt, auf dem es immer schöne Pferdehintern zu sehen gibt und ein scharfer Ledergeruch in der Luft schwingt, den ich sehr gern mag. Eine etwa 10km große Route, die dem Auspowern dienlich ist, wenn die Vierbeiner unterbelastet sind. Vierte Route, die Liebmann-Runde: Frau Liebmann ist unsere Tierärztin und der Weg ist eher kurz und nur für schnelle Pullerpausen gedacht. Als Hundebesitzer sprichst du nur in Runden, nicht in Kilometern. Und Hundebesitzer unter sich verstehen einander, ohne nachzufragen.

An den Tagen, an denen ich die Liebmann-Runde drehe, und an denen die Sonne vom Himmel brennt, treffe ich immer einen alten Mann und seinen Rollator. Aber er schiebt diesen nicht vor sich her, so wie es alte Menschen für gewöhnlich tun. Nein. Er hat diesen zu einem Stuhl umfunktioniert und sitzt immer auf Höhe der Tierarztpraxis auf ebendiesem Rollator und nimmt dort ein ausgiebiges Sonnenbad. Sitzt einfach da, mitten auf dem Gehweg und badet genüsslich. Lächelt. Und scheint sehr glücklich. Und immer, wenn ich mit den Vierbeinern an ihm vorbeispaziere, lächelt er sanft und weise. Beäugt erst mich und wandert dann mit seinem Blick zu den zwei Fellknäueln zu meinen Füßen, wo er noch einmal kurz mit funkelnden Augen hängen bleibt. Wir haben noch niemals ein Wort miteinander gesprochen. Unsere Blicke treffen sich immer ganz friedlich und sehr respektvoll, scheinen einander zu verstehen. Ich denke jedes Mal darüber nach, wie er wohl leben mag. Vermutlich in einer winzigen Wohnung, die seiner kleinen Rente gerecht wird, ohne Balkon. Weshalb sonst sollte er sonst hier an dieser Stelle sonnenbaden? Und dann frage ich mich noch, was er wohl denken mag, wenn sich unsere Wege kreuzen. Ob er Hunde mag? Ob er selbst welche hatte? Ich habe ihm nie diese Fragen gestellt, und lange schon habe ich ihn nicht mehr an dieser Stelle sitzen sehen. Inständig hoffe ich, er möge nicht krank, oder schlimmer noch, gestorben sein. Ich mag ihn sehr, ohne ihn wirklich zu kennen. Ich mutmaße jedoch, dass die Temperaturen aktuell einfach zu frostig sind. Ganz gewiss werde ich ihn im Frühjahr wieder dort antreffen. Und vielleicht – aber nur vielleicht – werde ich einen winzigen Wortwechsel mit ihm wagen.


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