Magie im Moment Seite 2

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Die Kälte zieht in seine Augen. Es schmerzt und er blinzelt wild, um das entstandene Gefühl plötzlich rauer Trockenheit zu kompensieren.

Er atmet tief. Schließt die Augen. Hält kurz inne. Lauscht der Stille, die so gewaltig um ihn schwingt und ihn fast zu verschlingen droht. Er kann sie kaum ertragen, so laut schreit sie an diesem Morgen.

Wieder öffnet er die Augen. Sieht in den Himmel.

Geblendet vom Hellgrau des großen Gewölbes, das sich nur schwerlich vom Grellweiß unterscheiden lässt, kneift er die Augen zusammen, stellt wieder scharf und erspäht einen schwarzen Pfeil aus laut kreischenden Wildgänsen am Himmel. Verfolgt die geflügelten Gefährten interessiert. Atmet.


In weiter Ferne: Ein Klirren. Immer noch im Märchen der Wildgänse gefangen fällt es ihm schwer, daraus einen Realitätsbezug zu formen. Er strengt sich an. Diffuse, farbige Strudel formen sich um ihn, halten ihn fest und erschweren ihm die Rückreise.


Wieder schließt er die Augen. Konzentriert sich. Atmet.


Als er die Augen öffnet, schwimmt der Moment in einem Aquarell. Er zwinkert, kneift die Augen zusammen. Verleiht dem Moment eine stabilere Form.

Ein alter Mann mit befelltem, kleinem Freund mit großen Schlappohren und kurzen Beinen bewegt sich langsam ins Bild. Von links nach rechts. Die Jacke viel zu dünn. Der Rücken skoliotisch gebeugt, langsame Schritte machend. Tipp, tapp, tipp, tapp.

Der Vierbeiner passt sich ihm an. Schleppt sich liebevoll und treuherzig neben ihm her. Auch er hat das reife Alter offensichtlich erreicht.

Das Taupe seiner Jacke und Schiebermütze tarnt ihn. Passt sich gut dem Naturraum an. Lässt ihn fast unsichtbar sein. Den einzigen Akzent setzen seine stahlblauen, munteren Augen, aus denen das Leben herausschreit.

Ihre Blicke treffen sich.

Von seinem Naturell getrieben lächelt er dem älteren Herrn und seinem rührenden Gefährten zu.

Die Haut: vom Wetter gegerbt, braun, rau, stumpf. Sein Gesicht: durchzogen von tiefen Falten, die an gewaltige Holzkerben erinnern. Mittig thronend: eine markante Nase, auf der sich riesige Poren tummeln. Die Lippen: schmal und blass, erschöpft vom lebenslangen Worteformen. Die Haut um die Wangenknochen: sehr fein, fast dünn. Ein Zusammenspiel aus winzigen, blau-violetten Äderchen darauf, die sich ineinander verästeln und nah verwandt mit Kinder-Kritzeleien zu sein scheinen.





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