Neugier auf die Welt. Warum es sich lohnt zu reisen

Vorlesen
- 5 Seiten -

Eine mannshohe Hecke umgab den Garten meines Elternhauses. Oft stand ich vor ihr und versuchte, einen Blick nach drüben zu erhaschen. Bald stand fest, dass ich auf die andere Seite gelangen musste. Doch für einen Sechsjährigen ist es nicht einfach, sich durch eine Buchsbaumhecke zu schlagen. Meine ersten Versuche – ich warf mich gegen das Gestrüpp, legte unterirdische Gänge an – scheiterten kläglich. Als meine Eltern das nächste Mal außer Haus waren, warf ich ein Sitzkissen des heimischen Sofas auf das Gewächs. Ich zog mich an Ästen empor, ignorierte die Kratzer, die ich später würde erklären müssen, und hievte mich hinauf, bis ich die sichere, weiche Unterlage erreicht hatte. Auf dem Kissen robbte ich hinüber bis zum gegenüberliegenden Rand, warf es dort auf den Boden und sprang mit einem dünnen Triumphschrei auf es herab. Zum Glück wusste unser Nachbar, was junge Helden brauchen: Er lud mich zu einem Kakao ein. Bis heute erinnert eine kleine Delle in der Hecke an mein Erlebnis.

Eigentlich hat sich seither nicht viel verändert. Noch immer zieht mich ein naiver Entdeckermut hinaus, nehme ich tragbare Risiken in Kauf und mache mir erst unterwegs Gedanken über den weiteren Verlauf meiner Reise. Auch der Hang zu ungewöhnlichen Fortbewegungsmitteln ist mir geblieben: Im Kajak paddelte ich die Donau entlang, auf einem Hundeschlitten zog ich durch Ostgrönland, per Fahrradrikscha fuhr ich durch Südostasien. Ich umrundete Frankreich auf einem Postrad, folgte der türkischen Mittelmeerküste in einem Liegerad und gelangte in einem Velomobil den Mississippi entlang bis nach New Orleans. Wohin ich auch reiste, am Ende traf ich in allen Erdteilen auf Menschen, die mir halfen. Sie luden mich zu sich ein, versorgten mich mit Tipps und gaben mir ihre Geschichten mit auf den Weg.



Gefällt mir
1
 

Weitere Freie Texte

lesering
Freie Texte

Raphael Walder : ARACHNOPHOBIE

Falls du grad nicht zu beschäftigt, oder gänzlich abgelenkt, möchte ich dir rasch erzählen, was mir unlängst zugestoßen, in der Hoffnung, dich mit meiner Beichte nicht zu sehr zu quälen. Selbstzufrieden und bequem ruhte ich im Schatten aus, als gewaltig, doch nicht grob, etwas meinen Leib umfasste und mich gänzlich unerwartet plötzlich in die Höhe hob. Was auch immer mich gepackt, ließ mich überraschend los, und ich landete sogleich nach nur kurzem, bangem Fallen auf einer hellen Oberfläche, die ...
Freie Texte

Richie Flow: Sommer 2018

Die Taube schwamm im Wasser des Hafenbeckens. Mit zunehmend hektisch anmutenden Flügelschlägen versuchte sie sich aus diesem ihr fremden Element zu befreien. Ohne Erfolg. Das Klatschen der Flügel auf die Wasseroberfläche verstärkte den Eindruck eines verzweifelten und hoffnungslosen Versuchs. Passanten, die an der Hafenpromenade entlang gingen, blieben stehen. Erst wenige, dann immer mehr, bis eine Gruppe von 20 oder mehr Menschen das Schauspiel betrachteten – Männer, Frauen und Kinder ...
Freie Texte

Claudia Dvoracek-Iby: Das Mädchen

„Übrigens“, Cocos Hundesitterin setzt sich unaufgefordert auf die Bank zu mir, „heute hat mir die Reinweiß eiskalt mitgeteilt, dass ich vorläufig“ - sie zeichnet Anführungszeichen in die Luft - „nicht mehr gebraucht werde. Ab morgen kommt jemand anders mit Coco hierher. Eine junge Ukrainerin. Die Reinweiß haben sie bei sich aufgenommen. Naja, Platz und Geld haben die ja mehr als genug. Aber wie sich die Reinweiß mit ihrer guten Tat brüstet - zum Kotzen ist das! Ich habe gehört, wie sie ins ...
Freie Texte

Tamás Fajta: Paris – allen Vorurteilen zum Trotz

Ja, ich war in Paris – allen Vorurteilen zum Trotz. Mit Vorurteilen meine ich das, was ich aus zweiter Hand über die französische Hauptstadt gehört habe. Jene zweite Hand gehörte Jakob Fleischberg, einem damaligen Freund von mir, der Paris samt Freundin besucht hatte. Er erzählte uns an einem Stammtisch-Donnerstag von seinen Erfahrungen. Ich breche das Gesagte kurz runter: Die Franzosen sind unhöflich und sprechen kein Englisch, die Stadt sei dreckig und der Verkehr ...
Freie Texte

Die Himmelsreisen des Träumers

Auf einer Wiese liegend betrachte ich die Gestalten des Himmels. Sie verändern dauernd ihre Formen und Farben, der Wind des Frühlings bringt sie in unbekannte Welten In meinen Träumen folge ich ihnen, dabei gelange ich an besondere Orte in meiner Erinnerung. Mein jüngeres Ich betrachte ich wohlwollend und lächle über seine Sorgen, weil sie mir heute teilweise fremd erscheinen. Zur gleichen Zeit fühle ich mich beobachtet, als ich mich umsehen will, blenden mich die Sonnenstrahlen, sie ...

Aktuelles