Er sei von der Prosa Thomas Bernhards inspiriert gewesen, als er seine ersten, rebellischen Songs schrieb, sagte Dirk von Lowtzow einmal. Der Frontmann der nun bald 30 Jahre bestehenden Hamburger Band "Tocotronic" wurde vergangene Woche mit dem Literaturpreis der Landeshauptstadt Wiesbaden 2022 ausgezeichnet. In ihrer Begründung verwies die Jury auf die literarischen Bezüge im Werk von Lowtzows, der 2019 mit dem autobiografischen Buch "Aus dem Dachsbau" auch literarisch debütierte.
Tocotronic-Frontmann Dirk von Lowtzow erhält Literaturpreis der Landeshauptstadt Wiesbaden
Insbesondere in den frühen Songs der Hamburger Band Tocotronic lassen sich literarische ("Michael Ende, du hast mein Leben zerstört"), philosophische ("Ich muss reden, auch wenn ich schweigen muss") und diverse popkulturelle Anspielungen finden, die, paraphrasiert und in andere Bezüge gesetzt, unter stets kritischen Vorzeichen umgedeutet wurden. Auf diese Weise hatte Textschreiber und Sänger Dirk von Lowtzow in den 90er Jahren gezeigt, wie man textlich und musikalisch mit vorzufindenden Materialen auf innere Zwiespältigkeit, Ungewissheit und Wut reagieren kann. Dass sich die frühen Songs der Band formal oftmals auf das Prinzip sich steigernder, zuspitzender Wiederholungen stützten, ist keineswegs Zufall. Wie von Lowtzow einmal erwähnte, war er zu jener Zeit stark von der Prosa Thomas Bernhards inspiriert, die die Wutsteigerung bis in die "Übertreibungskunst" (Bernhard) trieb. Literarische Bezüge sind allenthalben im Gesamtwerk der Band anzutreffen. Sänger, Autor und Komponist Dirk von Lowtzow wurde dafür in der vergangenen Woche mit dem Literaturpreis der Landeshauptstadt Wiesbaden 2022 ausgezeichnet.
Begründung der Jury
Mit Dirk von Lowtzow zeichne man einen Künstler aus, dessen Werk ganz wesentlich von literarischen Bezügen inspiriert sei, heißt es in der Pressemeldung. Sein literarisches Debüt "Aus dem Dachsbau" sei wiederum selbst wie ein Konzeptalbum gearbeitet, wobei er "die Prägnanz und Originalität seiner Songtexte hier in Prosa transponiert, ohne aber die charakteristische Wortspielerei der Lieder zu imitieren. Im Strom autobiographischer und autofiktionaler Erzähler entwickelt er so eine eigene erzählerische und stilbildende Kraft", so die Jury.
Dirk von Lowtzow
Dirk von Lowtzow wurde 1971 in Offenburg geboren. 1993 zog er nach Hamburg, wo er sich für ein Studium der Rechtswissenschaft einschrieb. Noch im selben Jahr gründete er mit zwei Kommilitonen die Band "Tocotronic". Bereits mit dem ersten Album "Digital ist besser" gelang der Durchbruch. Bis heute hat die Band zwölf weitere Alben produziert. Von 1999 bis 2014 veröffentlichte von Lowtzow außerdem fünf Alben mit dem Duo "Phantom/Ghost". 2015 brachte er zusammen mit dem Dramatiker und Regisseur René Pollesch die Oper "Von einem der auszog, weil er sich die Miete nicht mehr leisten konnte" an der Berliner Volksbühne heraus. Er komponiert Theater- und Filmmusiken, zuletzt für den international erfolgreichen Film "Styx" und interpretiert Texte von unter anderem Christian Kracht und H.P. Lovecraft für Hörbücher.
Preis und Preisverleihung
Der Literaturpreis der Landeshauptstadt Wiesbaden ist mit 10.000 Euro dotiert und wird seit 2020 alle zwei Jahre an Autorinnen und Autoren verliehen, die intermedial arbeiten und deren Werke an den Schnittstellen unterschiedlichster Künsten, Medien oder Diskurs ansetzen. Die Jury bilden die Literaturkritikerinnen und -kritiker Mara Delius (Literarische Welt, Die Welt), Andreas Platthaus (FAZ) sowie Insa Wilke (unter anderem Die ZEIT, SZ).
Die Preisverleihung soll am 16. November stattfinden. Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende wird den Preis überreichen, Kulturdezernent Axel Imholz spricht ein Grußwort. Im Rahmen der Veranstaltung liest Dirk von Lowtzow Auszüge aus seinem Buch und spielt dazu passende Stücke.
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