Roger Willemsen sprach gerne und viel. In Interviews, in Diskussionen, auf Bühnen. Als öffentlicher Intellektueller - eine oft bemühte Klassifizierung, von der Willemsen nicht allzu viel hielt - äußerte er sich zu gesellschaftlichen, politischen und nicht zuletzt menschlichen Anliegen, ohne dabei den Disput zu fürchten. Nun sind Persönlichkeiten mit starkem Mitteilungsdrang keine Seltenheit. Selten aber sind jene, deren Vorträge nicht zum Leidwesen der Zuhörenden abgehalten werden; jene, die nicht nur überzeugend, sondern auch einladend sprechen. So einer war Willemsen. In Gedenken an den Schriftsteller, Fernsehmoderator, Literaturwissenschaftler und Reisenden wurde am Donnerstag in der Berliner Akademie der Künste ein Archiv vorgestellt, welches nicht zuletzt zeigt, wie facettenreich das Werk des Publizisten war.
Am Donnerstag wurde das Roger Willemsen-Archiv in der Berliner Akademie der Künste eröffnet. Freunde und Weggefährten haben sich getroffen, um an einen der größten deutschen Publizisten der vergangenen zehn, vielleicht zwanzig Jahre zu erinnern. Vor allem wurde deutlich, wie viel Willemsen tatsächlich geschrieben und gearbeitet hat, wie facettenreich sein Werk ist. Gabriele Radecke, die Leiterin des Literaturarchivs der Akademie, machte deutlich: "Der Nachlass zeigt das - dass er im Grunde seines Herzens permanent geschrieben hat". Nach Radeckes Einschätzung wird es wohl mindestens fünf Jahre dauern, bis der gesamte Nachlass erschlossen ist. Sie sprach von einer "intellektuellen Herausforderung". Das Werk, so Radecke, werde nicht im Archiv verschwinden. Ein erster Auszug wurde bereits in einer Vitrinenausstellung präsentiert.
"Wie lecker ist das Leben..."
Die Literaturkritikerin Insa Wilke, die jahrelang mit Willemsen befreundet gewesen war, hatte dessen Nachlass der Akademie der Künste vor einigen Wochen anvertraut. Wilke ist auch Herausgeberin der beiden posthum veröffentlichten Willemsen-Bücher "Wer wir waren" und "Musik!: Über ein Lebensgefühl". Am Donnerstag führte sie durch den Abend und sprach mit anderen Weggefährten des Intellektuellen; unter anderem über Afghanistan, welches für Willemsen viele Jahre und bis zu seinem Tod ein wichtiges Thema war. Außerdem wurden alte Ausschnitte aus Radio und Fernsehen gezeigt, unter anderem ein Talkshow-Gespräch mit dem Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki.
Der Schauspieler Mathias Brandt las unter anderem aus dem Buch "Die Enden der Welt" und sprach von gemeinsamen Bühnen-Auftritten. "Es war ein großes Vergnügen", sagte Brandt in Erinnerung an den Publizisten. "Er konnte denken und fühlen gleichzeitig". Insa Wilke zitierte einen Satz, den Roger Willemsen im Alter von sieben Jahren gesagt haben soll: "Wie lecker ist das Essen und das Leben knusprig dazu".
Ein Freund der Peripherie
Roger Willemsen gehörte zu den bekanntesten deutschen Intellektuellen. In seinen Büchern blickte er, unkonventionell und erhellend, auf selten beleuchtete Punkte. Er war ein Freund der Peripherie, der abgelegenen Gedanken und feinfühligen Sätze. So reiste er bis an die "Enden der Welt", setzte sich auf die Tribüne des "Hohen Hauses" (den Bundestag) oder durchquerte auf eindringliche Weise das eigene Leben ("Der Knacks") In den vielen Tausend Gesprächen, die Willemsen im Laufe seiner Karriere führte, trat er einfühlsam und kritisch zugleich auf. Einige seiner Interviews werden heute als Paradebeispiel an Journalistenschulen gezeigt. Seine eigentliche Leidenschaft aber, auch dies wurde am Abend der Eröffnung angesprochen, war das schriftstellerische Arbeiten.
Willemsen starb im Alter von 60 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. In seiner Villa in Wentorf bei Hamburg ist heute ein Künstlerhaus untergebracht. Eine nach Roger Willemsen benannte und vom Mareverlag und dem Verleger Nikolaus Gelpke gegründete Stiftung vergibt Stipendien für Kulturschaffende.
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