Der große Sommer von Ewald Arenz– Ein Sommer, der vom Schwimmbad aus die Welt erklärt

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Ein Junge bleibt in Mathe und Latein sitzen, der Sommerurlaub fällt aus, und zur Strafe zieht er bei den Großeltern ein. Kein Katastrophenroman – eher die zarte Chronik eines Aufbruchs: Der große Sommer erzählt die Wochen, in denen ein Teenager lernt, was es heißt, zu scheitern, sich zu verlieben und Verantwortung zu übernehmen. Ewald Arenz konzentriert das auf wenige Schauplätze – Haus der Großeltern, Stadtbad, Gärten, Nebenstraßen –, und genau daraus gewinnt das Buch seine Wärme. Was klein wirkt, öffnet hier das größte Tor: den Übergang ins eigene Leben.

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Der große Sommer: Lektüre (Selbst(er)findungen)

Handlung von Der Große Sommer – Nachsitzen, Großvater, ein Mädchen im grünen Badeanzug

Der Ich-Erzähler – nennen wir ihn hier der Erzähler – hat zwei Prüfungen versemmelt. Statt ans Meer geht es in den Dachboden der Großeltern. Der Großvater ist streng, ordentlich, unbestechlich; die Großmutter schafft jene Form von Freundlichkeit, die Ordnung nicht unterläuft, sondern trägt. In diesem Zwischenraum – zwischen Druck und Geborgenheit – soll der Junge lernen.

Lernen bedeutet zunächst: Rhythmus. Vormittags Stoff, nachmittags Schwimmbad. Dort geschieht, was in Ferienbüchern seit je geschieht und doch nie alt wird: Er sieht ein Mädchen im grünen Badeanzug. Sie heißt Beate. Auf dem Beckenrand beginnt das, was man später „erste Liebe“ nennt und damals nicht benennen kann. Zwischen Chlor und Sonnenöl entstehen Blicke, Gesten, Versprechen, die nicht laut ausgesprochen werden und deshalb so schlagend sind.

Um die beiden herum: Freunde, die man ernst nimmt, Ängste, die niemandem peinlich sein sollten, Erwachsene, die mehr verbergen, als sie zugeben. Und ein Großvater, der mit jeder Szene komplizierter wird – streng, ja, aber mit einer gerechten Strenge, die Verantwortung einfordert, nicht Unterwerfung. Der Sommer trägt die Freiheiten eines Jugendbuchs und die Schwere eines Erwachsenenromans: heimliche Grenzen werden gezogen, eine Krankheit in der Familie deutet sich an, eine Entscheidung wird fällig, die nichts mehr rückgängig macht. Mehr zu verraten, würde die behutsame Spannung dieses Romans verraten; wichtig ist: Die Nachprüfungen werden zum kleinsten Problem – und gleichzeitig zum Prüfstein für alles, was jetzt zählt.

Scheitern als Startkapital, erste Liebe, Autorität und Zärtlichkeit

Scheitern

Arenz lässt seinen Erzähler nicht an einem „großen“ Problem wachsen, sondern an einem banalen: zwei Fächer nicht gepackt. Gerade das macht die Erfahrung allgemeingültig. Die Wiederholungsprüfungen sind Symbol und Praxis zugleich: Wer scheitert, lernt nicht nur Grammatik und Gleichungen, sondern Selbstwirksamkeit.

Erste Liebe

Beate ist kein Projektionsschirm, sondern Gegenüber. Die Beziehung entsteht aus Aufmerksamkeit: kleine Sätze, ein geteilter Heimweg, der Entschluss, hinzusehen statt zu posen. Arenz überhöht das nicht – und schafft gerade dadurch jene Intensität, die man selten halten kann und nie vergisst.

Autorität

Der Großvater steht für eine Form der Autorität, die heute häufig fehlt: nicht laut, nicht modern, aber integer. Seine Regeln sind lesbar, seine Konsequenzen fair. In der Reibung mit dieser Figur lernt der Erzähler Haltung – und die Einsicht, dass Strenge und Zärtlichkeit keine Gegner sein müssen.

Freundschaft & Loyalität

Neben der Liebesgeschichte trägt die Freundesdynamik den Roman: Spott ohne Demütigung, Hilfe ohne moralisches Preisschild. In Entscheidungsstunden zählt Verlässlichkeit – und die Frage, wie weit man für einander vor die Erwachsenen tritt.

Schwimmbad & Sommerlicht

Das Wasser ist nicht bloß Kulisse; es ist Grenzraum. Zwischen Oberfläche und Tiefe, Mut und Übermut, Bewunderung und Scham spielt der Roman seine stärksten Szenen. Das Sommerlicht hat nichts Nostalgisches, es ist Erkenntnislicht: Es beleuchtet, was längst da ist.

Ein Roman über Bildung, Herkunft und leise Klassenspannungen

„Der große Sommer“ ist kein Thesenbuch, aber es verhandelt Bildung als soziale Technik. Nachprüfungen sind hier kein Makel, sondern Zugang: Wer übt, gewinnt Sprache für sich selbst. Der Roman zeigt damit – unaufgeregt –, wie Herkunft und Schule sich berühren: Großeltern, die Zeit und Strukturen mitbringen, sind ein Glücksfall. Viele haben das nicht. Außerdem tastet der Text an die Klassenspannung am Beckenrand: Bei manchen ist der Sommer Programm, bei anderen Zufall. Es bleibt leise, aber spürbar: Wie weit trägt das private Netz, wenn etwas reißt?

Stil & Sprache – Klar, warm, rhythmisch

Arenz schreibt nah an der Wahrnehmung des Jugendlichen: präzise Details, saubere Verben, kaum Flitter. Dialoge klingen gesprochen, nicht ausgestellt; Gerüche, Oberflächen, Temperaturen bauen die Szenen. Der Ton ist hell, ohne harmlos zu werden. Dass der Roman schnell gelesen ist, liegt nicht an Einfachheit, sondern an Rhythmus: kurze, sichere Schritte, die das Entscheidende nicht aussprechen, sondern spürbar machen. Wo andere pathetisch würden, zieht Arenz den Ton zurück – und gewinnt Wahrhaftigkeit.

Für wen ist „Der große Sommer“?

  • Coming-of-Age-Leser, die Ernsthaftigkeit ohne Pathos suchen.

  • Buchclubs, die über Bildung, Autorität, erste Liebe und Freundschaft sprechen möchten – der Roman hält viele Ankerpunkte bereit.

  • Eltern, Lehrkräfte, Pädagog:innen, die Überforderung und Ermutigung in einem Text zeigen wollen.

  • Hörbuch-Hörer (falls genutzt): Die Sprache trägt den gesprochenen Ton, weil sie auf Beobachtung statt Deklamation setzt.

Weniger geeignet ist das Buch, wenn ausschließlich Plot-Feuerwerk gesucht wird. Die Spannung liegt im Zwischenraum.

Stärken & mögliche Reibungen

Stärken

  1. Glaubwürdige Jugendperspektive: Der Erzähler denkt nicht „erwachsen“, sondern lernt. Das macht die Figur durchlässig – und die Lektüre nah.

  2. Zarte Liebesgeschichte: Die Beate-Passagen tragen den Roman, weil sie konkret sind: Körpergefühl, Scham, Mut – nie Kitsch.

  3. Autoritätsfigur mit Tiefe: Der Großvater bleibt ambivalent – streng und gerecht. Ein Gegenentwurf zur pädagogischen Polemik.

Mögliche Reibungen

  1. Konflikte sind klein skaliert: Wer die große Katastrophe sucht, wird leise enttäuscht. Das Buch setzt auf Entscheidungsmomente, nicht auf Spektakel.

  2. Nostalgie-Gefahr beim Schwimmbad-Setting: Manche Leser könnten die Kulisse als „schöngefärbt“ lesen; der Text selbst arbeitet dagegen, indem er Verletzlichkeit zulässt.

  3. Nebenfiguren bleiben Markierungen: Freunde und Erwachsene funkeln in Szenen, nicht alle bekommen Bogen und Biografie. Dafür bleibt der Fokus streng beim Erzähler.

Kurze Antworten auf häufige Leserfragen

Ist „Der große Sommer“ ein Jugendbuch oder ein Roman für Erwachsene?

Beides funktioniert. Sprachlich zugänglich, thematisch reif. Für späte Sek I/ Oberstufe ebenso geeignet wie für erwachsene Leser.

Muss man andere Bücher von Ewald Arenz kennen?

Nein. Der Roman ist eigenständig. Wer mehr möchte, findet in Arenz’ Werk ähnliche Warmherzigkeit und Beobachtungsschärfe.

Wie „dramatisch“ ist das Buch?

Die Dramaturgie ist leise: Es geht um Entscheidungen, nicht um Explosionen. Gerade das hält lange nach.

Über den Autor – Ewald Arenz

Ewald Arenz ist Schriftsteller und Deutschlehrer – eine Doppelperspektive, die man seinen Büchern anmerkt: Sprachgefühl plus Menschenkenntnis. In seinen Romanen verbindet er genaue Alltagsbeobachtung mit emotionaler Ökonomie: kein Lautstärke-Wettbewerb, sondern Sätze, die tragen. „Der große Sommer“ gehört zu seinen populärsten Titeln und zeigt exemplarisch, wie viel Bildung in Erzählung stecken kann.

Ein sanftes Buch mit ernstem Kern

Der große Sommer ist ein Roman über die Kunst, kleine Schritte groß zu nehmen. Er erzählt, wie Scheitern zum Startkapital werden kann, wenn Menschen Anteil nehmen, Regeln Sinn haben und jemand im richtigen Moment hinüberschwimmt – vom Beckenrand in die Tiefe. Man klappt das Buch zu und denkt: So fühlt sich Gelingen an, wenn niemand klatscht. Worte sind geduldig – Leser selten. Dieses Buch ist für beide geduldig genug.

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