Neun Jahre nach dem Überraschungserfolg von Erebos kehrt das Spiel zurück – mobiler, vernetzter, zudringlicher. In „Erebos 2“ (2019) taucht auf Nick Dunmores Handy plötzlich ein vertrautes rotes E auf; kurz darauf greift das Programm tief in seinen Alltag ein. Parallel folgt der Roman dem 16-jährigen Derek, den das neue Erebos zunächst fasziniert und dann zielgenau unter Druck setzt. Genau diese Doppelperspektive macht die Fortsetzung mehr als nostalgisch: Sie zeigt, wie digitale Systeme erwachsene Skepsis und jugendliche Anfälligkeit unterschiedlichausnutzen.
Nick im Abwehrmodus, Derek im Sog
Nick, inzwischen Fotograf, erkennt die Gefahr schneller als früher – doch Erebos hat dazugelernt. Es kapert Zugriffe, erpresst ihn mit Dateien, drängt ihn, wieder als Sarius in die Spielwelt einzusteigen. Derek erlebt dieselbe Choreografie von Nähe und Kontrolle aus der anderen Richtung: Erst Belohnung, dann Aufträge in der Wirklichkeit, schließlich Grenzverschiebungen – genau dort, wo Anerkennung am meisten lockt.
Kapitelweise wechselt der Roman zwischen beiden Strängen, bis klar wird: Hinter der Rückkehr steckt mehr als „nur“ Rache oder Nostalgie. Wesentliche Wendungen lassen wir aus; entscheidend ist, wie Konsequenz (Gehorsam/Verweigerung) und Kontext(Erfahrung/Sehnsucht) das Verhalten der Figuren steuern.
Gerätezugriff, Gamification, Datenmacht
-
Digitale Kontrolle als Thriller-Motor: Das neue Erebos installiert sich selbst, vernetzt sich mit Kamera/Dateien/Tracking und erzwingt Gehorsam – ein klares Bild für Alltags-Überwachung im Hosentaschenformat. Der offizielle Klappentext des Hörbuchs benennt explizit: Erebos „kontrolliert alle seine technischen Geräte, überwacht jeden seiner Schritte“.
-
Belohnungsschleifen & soziale Währung: Level, Rang und Anerkennung bleiben die Druckpunkte. Die Mechanik verführt über kleine, scheinbar harmlose Aufgaben, bis Grenzen scheibchenweise kippen – im zweiten Band aktualisiert für die Always-On-Logik des Smartphones.
-
Zwei Generationen, zwei Angriffsflächen: Nick (misstrauisch, medienerfahren) vs. Derek (Zugehörigkeit suchend). Die Parallelführung macht sichtbar, wie dasselbe System unterschiedlich greift – und warum Aufklärung allein nicht reicht.
Gesellschaftlicher Kontext: Vom Datenträger zur App – warum die Rückkehr nötig war
Poznanski übersetzt den Kern des ersten Teils konsequent in die Smartphone-Ära: Statt weitergereichter CD jetzt App-Icon, statt PC-Einzelzugang Always-On-Verkettung mit Social- und Messengerdiensten. Verlagsmaterialien akzentuieren genau diese Frage („Wo würde Erebos heute auftauchen?“) – kurz: auf dem Smartphone. Damit wirkt Erebos 2 wie eine Erfahrungsstudie zu Datenmacht und Handy-Abhängigkeit, ohne Technikexkurs, rein über Plot und Figuren.
Stil & Erzähltechnik: Zwei Blickwinkel, klares Regelwerk, hoher Zug
Poznanski bleibt ihrem pageturner-tauglichen Stil treu: kurze Kapitel, präzise Cliffhanger, Regeln werden im Vorbeigehen klar. Die Doppelperspektive (Nick/Derek) hält Tempo und verankert das Thema zugleich in zwei Lebensrealitäten. Kritiken betonen genau diesen Mix: spannend, zugänglich auch ohne Gaming-Vorkenntnisse.
Für wen lohnt sich „Erebos 2“?
-
Jugendliche & Crossover-Leser, die Gegenwarts-Thrill mögen.
- Schulen/Buchclubs: Ideal für Diskussionen über Peer-Pressure, Belohnungslogik und Privatsphäre. Diskussionsimpuls: Ab wann rechtfertigt Loyalität zu einer „Community“ Regelbrüche im Alltag
- Eltern/Lehrkräfte: Der Roman macht Mechaniken hinter Challenge-Druck und Tracking greifbar; gute Basis, um Gegenstrategien (Transparenz, Pausen, Team-Ethik) mit Jugendlichen zu verabreden.
Kritische Einschätzung – Stärken & mögliche Schwächen
Stärken
-
Zeitgemäßes Update: App-Logik, Gerätezugriff, permanenter Druck – realitätsnah und glaubwürdig.
-
Doppelperspektive mit Spannung: Erfahrung (Nick) + Verführung (Derek) → starke Dramaturgie und Zielgruppenbrücke.
-
Diskussionskraft: Bietet viel Stoff für Medienkompetenz-Gespräche – ohne Dozieren.
Mögliche Schwächen
-
Figurentiefe vs. Tempo: Nebenfiguren bleiben teils skizzenhaft, weil der Plot dominiert – verschiedentlich in Rezensionen benannt.
-
Erwartung ans Finale: Manche Leser:innen empfinden die Endmotivation weniger düster als erwartet – reine Geschmackssache.
Häufige Fragen
Kann man „Erebos 2“ ohne Teil 1 lesen?
Ja, grundsätzlich – Band 2 liefert genug Kontext. Die emotionale Fallhöhe ist jedoch größer, wenn du Teil 1 kennst.
Wie „tech-lastig“ ist das – brauche ich Gamingwissen?
Nein. Mechaniken werden erzählerisch eingeführt (Icon, Aufträge, Konsequenzen); Gaming-Vorwissen ist nicht nötig.
Gibt es ein Hörbuch – und von wem?
Ja, Der Hörverlag veröffentlichte eine (un)gekürzte Lesung, gesprochen von Jens Wawrczeck; bei Audible ist die ungekürzte Fassung mit 15 h 15 min gelistet.
Über die Autorin: Ursula Poznanski – Bestseller zwischen Jugend- und Erwachsenen-Thriller
Ursula Poznanski zählt zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Jugendbuchautorinnen; Erebos (2010) wurde u. a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis (Jugendjury 2011) ausgezeichnet und international übersetzt. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien und veröffentlicht seither regelmäßig Bestseller – auch für Erwachsene.
Lohnt sich „Erebos 2“?
Ja. Die Fortsetzung ist kein Abklatsch, sondern ein logischer Schritt: Das Spiel denkt mobil, greift tiefer in den Alltag ein und macht Datenmacht erzählbar. Mit der Doppelperspektive hält der Roman Spannung und liefert Gesprächsstoff– für junge Leser:innen ebenso wie für Erwachsene, die verstehen wollen, wie Systeme Menschen gefügig machen.
Erebos-Reihe im Überblick
1)Erebos (2010)– Jugend-Techthriller über ein Spiel, das Befehle erteilt
Geheimes MMORPG mit strikten Regeln („Rede nicht darüber. Befolge Aufträge.“) greift in den Schulalltag ein und manipuliert eine Clique. Themen: Suchtmechaniken, Überwachung, Gruppendruck – rasanter Einstieg in die Reihe.
2) Erebos 2 (2019) – Rückkehr des Spiels in der Smartphone-Ära
Viele Jahre später taucht Erebos in neuer, mobiler Form wieder auf: Tracking, Kamerazugriff, Belohnungsschleifen 2.0. Der Band funktioniert eigenständig, aktualisiert aber die ursprünglichen Fragen nach Datenmacht und Kontrollverlust.
3) Erebos 3 (2025) – Rückkehr nach 15 Jahren: ein letztes Spiel um Leben und Tod
Nick Dunmore wird erneut in die Welt von Erebos gezogen und muss sich – diesmal als Dunkelelf Sarius – einer rätselhaften Suche stellen. Der Einsatz ist höher denn je, die Regel bleibt dieselbe: „Du hast nur eine Chance.“Erhältlich als Hardcover (auch als Limited Edition mit Farbschnitt), eBook und Hörbuch.