Michelle Obama hat wieder ein Buch geschrieben. Diesmal geht es nicht um große Reden oder tiefschürfende Ermutigungen, sondern – vermeintlich – um Mode. Doch wer bei The Look an ein weiteres Coffeetable-Book mit Glamourfaktor denkt, unterschätzt die strategische Klugheit der ehemaligen First Lady. Schon der Titel ist Programm: The Look verweist auf mehr als nur Stoffe, Schnitte und Farben – es geht um das Angeschautwerden, um das Gesehenwerden, um den Blick der anderen und die Entscheidung, ihn nicht einfach hinzunehmen.
Die Fotografien, über 200 an der Zahl, zeichnen Michelle Obamas visuelle Entwicklung nach – vom wachsenden medialen Interesse zu Beginn der politischen Karriere ihres Mannes bis hin zur bewusst gestalteten Ikonografie ihrer Zeit im Weißen Haus und darüber hinaus. Doch diese Bilder stehen nie für sich allein. Sie sind Kommentare, manchmal auch Widerworte, zu einer Gesellschaft, die Frauen, insbesondere schwarze Frauen, nicht nur betrachtet, sondern ständig bewertet.
„What are you wearing?“
In Interviews hat Obama betont, dass ihre äußere Erscheinung im Weißen Haus ein dauerhafter Gegenstand öffentlicher Debatte war – eine Debatte, die nicht zuletzt mit Erwartungen an Weiblichkeit, Repräsentation und politischer Seriosität aufgeladen war. Was für männliche Politiker eine Randnotiz bleibt, wurde bei ihr zur Schlagzeile: Kleid von Jason Wu, Hose zu sportlich, Schultern zu nackt.
Dass Obama diese mediale Fixierung nun zum Gegenstand eines eigenen Buches macht, ist keine verspätete Reaktion, sondern eine bewusste Aneignung. Sie erzählt von der Arbeit mit ihrer Stylistin Meredith Koop, von Vertrauen, von Absprachen, von dem Wunsch, gleichzeitig souverän und nahbar zu erscheinen – eine Gratwanderung, die stilistisch ebenso sorgfältig geplant war wie jede Rede oder Initiative.
Zwischen Selbstbehauptung und Selbstinszenierung
The Look ist kein Modebuch im klassischen Sinn. Es ist ein Kommentar zur Macht des Äußeren – und zur Möglichkeit, es nicht als Schwäche, sondern als Stärke zu verstehen. Obama schreibt über den Moment, in dem sie begriff, dass ihr Kleid ebenso viel politische Bedeutung tragen kann wie ihre Worte. Ein weißes ärmelloses Kleid bei einem Staatsdinner wird zur kulturellen Positionierung, ein buntes Printkleid zur Umarmung der Vielfalt.
Dabei vermeidet das Buch plumpe Eitelkeit. Es dokumentiert vielmehr, wie aus einer privaten Frau eine öffentliche Figur wurde, die gelernt hat, sich im Spannungsfeld zwischen Zuschreibung und Selbstentwurf zu bewegen – nicht immer freiwillig, aber zunehmend selbstbestimmt.
Ein anderer Ton
Nach den Memoiren Becoming (2018) und The Light We Carry (2022) ist The Look ein bewusst anderes Buch. Weniger introspektiv, dafür umso öffentlicher. Kein Rückzug ins Private, sondern ein Akt der Sichtbarmachung. Es ist ein Buch, das auf seine Weise politisch bleibt – nicht durch Forderungen, sondern durch Darstellung.
Man kann das pathetisch finden, oder man erkennt darin ein leises Statement: Selbstwirksamkeit beginnt manchmal mit der Entscheidung, was man anzieht. Und damit, nicht mehr nur Objekt der Betrachtung zu sein.
Ein neues Buch über Mode, Bilderpolitik und Selbstbehauptung
Erscheinung: The Look, ab 4. November 2025 bei Crown Publishing
Umfang: 304 Seiten, über 200 Fotografien – viele davon bislang unveröffentlicht
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