Am 11. März verstarb mit Anthony Phelps eine der prägendsten Stimmen der haitianischen und kanadischen Literatur. Sein deutscher Verlag Litradukt meldete den Tod des 96-Jährigen und sprach von einem „weiteren Denkmal“, das die Literaturlandschaft Haitis und Québecs verliert. Phelps, ein Künstler von seltener Vielseitigkeit – Dichter, Romancier, Vortragskünstler und Bildhauer – wurde oft in einem Atemzug mit seinem kürzlich verstorbenen Landsmann Frankétienne genannt.
Abschied von Anthony Phelps: Der haitianische Dichter und Exilant stirbt mit 96 Jahren
Sein wohl bekanntestes Werk, das Langgedicht „Mon pays que voici“ (Dies ist mein Land), hat in der frankophonen Welt Kultstatus erreicht und wurde mit Pablo Nerudas „Canto general“ verglichen. Die Verse zeugen von tiefer Verbundenheit mit Haiti, einem Land, das er früh verlassen musste.
Exil und Widerstand: Ein Leben zwischen Haiti und Kanada
Geboren am 25. August 1928 in Port-au-Prince, war Phelps Mitbegründer der Gruppe Haïti Littéraire und der Literaturzeitschrift Semences. Sein Widerstand gegen das Duvalier-Regime brachte ihm 1965 eine Inhaftierung ein, bevor er ins Exil nach Montreal floh. Dort arbeitete er zwei Jahrzehnte lang als Nachrichtenredakteur bei Radio Canada, bevor er sich vollständig der Literatur widmete. Sein Werk kreist um die Themen Heimat, Exil und die fragile Identität des Entwurzeltseins – ein Motiv, das sich auch in seiner mehrfach ausgezeichneten Lyrik wiederfindet. Zwei Mal erhielt er den renommierten Preis der Casa de las Américas.
Phelps auf Deutsch: Eine literarische Spur in Übersetzungen
Auch im deutschsprachigen Raum hat Phelps’ Werk seinen Platz gefunden. Sein Verlag Litradukt veröffentlichte zuletzt den zweisprachigen Lyrikband „Andalusische Radierungen/Eaux fortes andalouses“ (2022, übersetzt von Rike Bolte), zuvor die Romane „Der Zwang des Unvollendeten“ (2015, übersetzt von Peter Trier) und „Wer hat Guy und Jacques Colin verraten?“ (2016, übersetzt von Ingeborg Schmutte). Zudem erschien der Erzählband „Die verzauberte Schaufensterpuppe“ (2018). Bereits 1976 brachte der Aufbau-Verlag mit „Denn wiederkehren wird Unendlichkeit“(übersetzt von Thomas Dobberkau) eine frühe Übersetzung seines Werks heraus.
Mit Anthony Phelps geht nicht nur eine literarische Stimme von außergewöhnlicher Kraft, sondern auch ein Zeuge der haitianischen Geschichte, der das Schreiben als Widerstand verstand. Seine Poesie, getränkt von Heimweh und Auflehnung, wird bleiben.
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