Jurij Brězan war ein bedeutender sorbischer Schriftsteller. Er wurde am 9. Juni 1916 in Räckelwitz, Sachsen, geboren und verstarb am 12. März 2006 in Kamenz. Brězan schrieb sowohl in deutscher als auch in sorbischer Sprache. Seine Werke sind tief in der sorbischen Kultur verwurzelt und reflektieren die politischen und sozialen Realitäten der DDR. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Brězan einer der wichtigsten sorbischen Autoren des 20. Jahrhunderts ist. Er hat mit seinen Romanen, Erzählungen und Kinderbüchern erheblich zur Bewahrung und Förderung der sorbischen Identität beigetragen.
Frühes Leben und Bildung
Brězan wuchs als Sohn eines Steinbrucharbeiters und Kleinbauern auf. Er besuchte die Schule in Bautzen und begann ein Studium der politischen Ökonomie, wurde jedoch 1936 aufgrund seiner politischen Aktivitäten ausgeschlossen. Während des Zweiten Weltkriegs war er Soldat in der Wehrmacht und geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft.
Nach dem Krieg arbeitete Brězan als Jugendfunktionär für die Domowina, die sorbische Kulturorganisation, und trat 1946 der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) bei. Er wurde Mitglied des Deutschen PEN-Zentrums Ost und West sowie der Akademie der Künste und war von 1969 bis 1989 Vizepräsident des Schriftstellerverbandes der DDR. Diese Positionen unterstreichen seine Einbindung in das kulturelle Establishment der DDR und seine Anerkennung als wichtiger Kulturträger.
Literarisches Werk und sozialistischer Realismus
Brězans literarisches Schaffen ist stark vom sozialistischen Realismus geprägt, der die offizielle Kunstdoktrin der DDR war. Seine Werke betonen die Ideale des Sozialismus und schildern oft den Alltag der Arbeiterklasse in idealisierter Form. Gleichzeitig enthalten viele seiner Romane und Erzählungen auch kritische Elemente und tiefgehende psychologische Einsichten, die über die bloße Propaganda hinausgehen.
Wichtige Werke
Brězans umfangreiches Werk umfasst zahlreiche Romane, Erzählungen und Kinderbücher. Zu seinen bekanntesten Werken gehören:
- Der Gymnasiast (1958): Teil einer Trilogie, die autobiografische Elemente enthält und das Leben eines jungen Mannes in der DDR beschreibt.
- Semester der verlorenen Zeit (1960): Der zweite Teil der Trilogie, der die Herausforderungen und Veränderungen während der Jugendzeit des Protagonisten thematisiert.
- Mannesjahre (1964): Der abschließende Teil der Trilogie, der sich mit dem Erwachsenwerden und den damit verbundenen Schwierigkeiten auseinandersetzt.
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Krabat oder Die Verwandlung der Welt (1976): Jurij Brězans Roman „Krabat oder Die Verwandlung der Welt“ (1976) verknüpft die sorbische Krabat-Sage mit aktuellen Fragen der Biologie und Gentechnik. Der Nobelpreisträger und Biologe Jan Serbin aus der Oberlausitz strebt danach, durch genetische Veränderungen die negativen Eigenschaften der Menschheit zu überwinden und eine friedliche Welt zu schaffen. Inspiriert vom Krabat-Mythos sieht Serbin sich als modernen Krabat und sucht nach Wegen, die „Verwandlung“ der Welt zu verwirklichen. Dabei symbolisiert der Bach Satkula seine Heimat und sorbische Identität und verknüpft Realität und Sage.
Die Erzählung entfaltet sich auf mehreren Ebenen: Während Serbin in Ländern wie Schweden und Italien wissenschaftliche Missionen verfolgt, existiert eine parallele, phantastische Welt, in der Krabat und sein Gefährte Jakub Kuschk gegen den bösen Grafen Wolf Reissenberg kämpfen und nach dem Glücksland und Krabats verlorener Liebe Smjala suchen. Erst am Ende verweben sich die realen und mythischen Handlungsstränge zu einem Ganzen, wobei die Grenzen zwischen Wissenschaft und Mythos, Realität und Fantasie verschwimmen.
Bild des Vaters: Ein persönlicher Einblick
Ein ungeschminktes Meisterwerk von Brězan ist "Bild des Vaters" (1983), ein tief autobiografisches Werk, in dem Brězan das Leben seines Vaters schildert. Der Roman bietet einen intimen Einblick in die Beziehung zwischen Vater und Sohn und beleuchtet die schwierigen Lebensumstände in der ländlichen Oberlausitz. Brězans Vater wird als eine starke, prägende Figur dargestellt, die trotz aller Widrigkeiten eine zentrale Rolle im Leben des Autors spielt.
Brězan setzt sich "Bild des Vaters" mit dem Leben und dem Tod auseinander. Ein alter Mann, der sein Sterben bis zum Schluss organisiert- die Kinder, die ihr eigenes Leben leben und voller Alltagsprobleme das Loslassen des Vaters nicht mitbekommen.
Der Roman zeichnet sich durch seine detaillierte Beschreibung der ländlichen Umgebung und die psychologische Tiefe der Charaktere aus. "Bild des Vaters" ist ein wichtiger Beitrag zur sorbischen Literatur und reflektiert zugleich die politischen und sozialen Bedingungen der DDR.
Die sorbische Fassung des Romans, "Stary nan" (eigentlich: "Der Großvater"), ist sogar noch wortgewaltiger und zarter als die deutsche Version. Brězan gelingt es, in beiden Fassungen tiefgehende menschliche Themen zu behandeln, die auch heute noch relevant sind.
Jurij Brězan war ein vielseitiger und einflussreicher Schriftsteller, dessen Werke sowohl staatstreue als auch kritische Elemente enthalten. Seine Romane und Erzählungen bieten einen tiefen Einblick in die sorbische Kultur und Geschichte und haben einen wichtigen Beitrag zur deutschen und sorbischen Literatur geleistet. Brězans Leben und Schaffen spiegeln die Komplexität und Widersprüche des sozialistischen Realismus wider und zeigen die Herausforderungen und Errungenschaften des literarischen Schaffens in der DDR. Er gehört auch heute ins Bücherregal – gerade um die deutsche Geschichte und ihren Literaturkanon nicht zu vergessen.
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