Die palästinensische Autorin Adania Shibl wurde in diesem Jahr mit dem "Liberaturpreis" ausgezeichnet. Die Verleihung, planmäßig für den Freitag im Rahmen der Frankfurter Buchmesse vorgesehen, wurde allerdings verschoben. Der Grund: In Shibls gekürtem Roman "Eine Nebensache" glaubten Kritiker antisemitische Klischees entdeckt zu haben.
Frankfurter Buchmesse: Verleihung des "LiBeraturpreis" an Adania Shibli wird verschoben
Die Frankfurter Buchmesse steht ein weiteres Mal unter dem Eindruck erschreckender Kriegsbilder. Hinzu kommen eine gehörige Portion Verunsicherung, nicht abklingende Krisen und der Eindruck einer zunehmend auseinanderdriftenden Gesellschaft. Dagegen stellt die Bücherschau das Narrativ eines "friedlichen Miteinanders". Die Buchmesse, so die Vorsteherin des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs, zur Eröffnung am Dienstag, sei "ein Ort der Meinungsfreiheit, der Meinungsvielfalt". Buchmessen-Direktor Juergen Boos legte nach, konstatierte eine Welt, die aus den Fugen geraten sei und setzte die Frankfurter Buchmesse als Gegenpol, ein eine Veranstaltung, in deren Zentrum die menschliche Begegnung stehe. "Unser Mitgefühl gilt den Menschen, deren Angehörige Opfer dieses Gewaltexzesses wurden, und allen Menschen in Israel und Palästina, die unter dem Krieg leiden.", so Boos.
Ehrung von Adania Shibli verschoben
Vor dem Hintergrund der Freiheit und Offenheit flammt eine Diskussion immer wieder auf. Es geht um die Verleihung des "LiBeraturpreises" 2023 an die palästinensische Autorin Adania Shibli. Eigentlich für den Freitag vorgesehen, wurde die Ehrung kurzfristig verschoben. Grund dafür ist der Vorwurf, die Autorin bemühe in ihrem von der Kritik viel gelobten Roman "Eine Nebensache" antisemitische Klischees.
Er wolle Autorinnen "vor der Hetzmasse" schützen, betonte Boos. Buchmessensprecher Torsten Casimir versicherte zudem, der Verein Litprom suche nach einem würdevollen Zeitpunkt für die Verleihung nach der Messe. An dem Narrativ, die Buchmesse sei eine Plattform für das freie Wort und den friedlichen Austausch, ändere diese Entscheidung nichts, so Casimir weiter. Zuvor hatten hunderte Autoren und Mitarbeiter des Literaturbetriebs die Verschiebung in einem offenen Brief kritisiert.
Für eine Verschiebung sprachen sich einige Kritikerinnen und Kritiker aus. Die Herausgeberin der Literarischen Welt, Mara Delius, etwa, sprach von einem Skandal, den die Buchmesse nicht brauche. Den Preis kaum zwei Wochen nach dem schlimmsten Massaker seit dem Holocaust auf der Buchmesse zu verleihen, wäre kein Zeichen von weitläufiger Meinungsfreiheit, so Delius weiter. Carsten Otte sprach in der taz gar von einem Roman, der "Israel als Mordmaschine darstellt".
"Eine Nebensache"
Adania Shibli erzählt in ihrem Roman "Eine Nebensache" einerseits die historische Geschichte eines palästinensischen Mädchens, welches im Sommer 1949 von israelischen Soldaten missbraucht und ermordet wurde. In einem zweiten Teil geht es um eine Journalistin aus Ramallah, die dem Verbrechen Jahrzehnte später auf die Spur geht.
Was bewahren Geschichten? Was wird erzählt, was ausgelassen? Im Sommer 1949 wird ein palästinensisches Beduinenmädchen von israelischen Soldaten vergewaltigt, ermordet und in der Wüste verscharrt. Jahrzehnte später versucht eine junge Frau aus Ramallah, mehr über diesen Vorfall herauszufinden. Sie ist fasziniert, ja besessen davon, nicht nur wegen der Art des Verbrechens, sondern vor allem, weil es auf den Tag genau fünfundzwanzig Jahre vor ihrer Geburt begangen wurde. Ein Detail am Rande, das jedoch ihr eigenes Leben mit dem des Mädchens verknüpft. Adania Shibli verwebt die Geschichten beider Frauen zu einer eindringlichen Meditation über Krieg, Gewalt und die Frage nach Gerechtigkeit im Erzählen. (Verlagsankündigung)
Topnews
Ein Geburtstagskind im November: Astrid Lindgren
Geburtstagskind im Oktober: Benno Pludra zum 100. Geburtstag
Das Geburtstagskind im September: Roald Dahl – Der Kinderschreck mit Engelszunge
Ein Geburtstagskind im August: Johann Wolfgang von Goethe
Hans Fallada – Chronist der kleinen Leute und der inneren Kämpfe
Ein Geburtstagskind im Juni: Bertha von Suttner – Die Unbequeme mit der Feder
Ein Geburtstagskind im Mai: Johannes R. Becher
Ein Geburtstagskind im April: Stefan Heym
Ein Geburtstagskind im März: Christa Wolf
Bertolt Brecht – Geburtstagskind im Februar: Ein literarisches Monument, das bleibt
Wie Banksy die Kunst rettete – Ein überraschender Blick auf die Kunstgeschichte
Ein Geburtstagskind im Januar: Franz Fühmann
Zauberberg 2 von Heinz Strunk
100 Jahre „Der Zauberberg“ - Was Leser heute daraus mitnehmen können
Oschmann: Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung“ – Umstrittene russische Übersetzung
Überraschung: Autorin Han Kang hat den Literaturnobelpreis 2024 gewonnen
PEN Berlin: Große Gesprächsreihe vor den Landtagswahlen im Osten
„Freiheitsschock“ von Ilko-Sascha Kowalczuk
Precht: Das Jahrhundert der Toleranz
Ein Balanceakt zwischen Moral und Dialog: Boykottaufruf des Palestine Festival of Literature
Der Hundertjährige Krieg um Palästina: Eine Geschichte von Siedlerkolonialismus und Widerstand
Israelischer Schriftsteller Abraham B. Yehoshua im Alter von 85 gestorben
Das literarische Quartett mit Eva Menasse, Moritz von Uslar und Jakob Augstein
Frühstück mit der Drohne: Tagebuch aus Gaza
Israelische Nationalbibliothek präsentiert bisher unveröffenlichte Dokumente Franz Kafkas
Die Frankfurter Buchmesse als politischer Raum
Aktuelles
Der Mann im roten Mantel – The Life and Adventures of Santa Claus von L. Frank Baum
Die Illusion der Sicherheit – wie westliche Romane den Frieden erzählen, den es nie gab
Beim Puppendoktor – Ein Bilderbuch über das Kind und sein Spiel
Denis Scheck über Fitzek, Gewalt und die Suche nach Literatur im Maschinenraum der Bestseller
Die Frauen von Ballymore von Lucinda Riley- Irland, eine verbotene Liebe und ein Geheimnis, das nachhallt
Katrin Pointner: Willst du Liebe
Geschenktipp zu Weihnachten: Otfried Preußlers Die kleine Hexe
Zwischen Fenster und Flug – Nikola Huppertz’ Gebrannte Mandeln für Grisou
Die stille Heldin von Hera Lind – Eine Mutter hält die Welt zusammen
Winnetou: Die besten Karl-May-Bände
Kiss Me Now von Stella Tack – Prinzessin, Personenschutz, Gefühlsernst
Kiss Me Twice von Stella Tack – Royal Romance mit Sicherheitsprotokoll
Literatur zum Hören: Was die BookBeat-Charts 2025 über Lesegewohnheiten verraten
László Krasznahorkais neuer Roman „Zsömle ist weg“
Zwischen Vers und Verwandlung – Fitzebutze als poetische Kindheitsform
Rezensionen
Die ewigen Toten von Simon Beckett – London, Staub, Stille: Ein Krankenhaus als Leichenschrein
Totenfang von Simon Beckett – Gezeiten, Schlick, Schuld: Wenn das Meer Geheimnisse wieder ausspuckt
Verwesung von Simon Beckett – Dartmoor, ein alter Fall und die Schuld, die nicht verwest
Leichenblässe von Simon Beckett – Wenn die Toten reden und die Lebenden endlich zuhören
Kalte Asche von Simon Beckett – Eine Insel, ein Sturm, ein Körper, der zu schnell zu Staub wurde
Die Chemie des Todes von Simon Beckett– Wenn Stille lauter ist als ein Schrei
Knochenkälte von Simon Beckett – Winter, Stille, ein Skelett in den Wurzeln
Biss zum Ende der Nacht von Stephenie Meyer – Hochzeit, Blut, Gesetz: Der Schlussakkord mit Risiken und Nebenwirkungen
Das gute Übel. Samanta Schweblins Erzählband als Zustand der Schwebe