Wolfgang Huber - "Menschen, Götter und Maschinen" Sie wissen es, und tun es trotzdem...

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Der Theologe Wolfgang Huber versucht sich in seinem aktuellen Buch an einer "Ethik der Digitalisierung". Dabei plädiert er dafür, zu verbessern statt zu ersetzen. Bild: C. H. Beck

Der Theologe Wolfgang Huber versucht sich an einer Ethik der Digitalisierung. In seinem Buch "Menschen, Götter und Maschinen" betrachtet er, kontrovers und mit humanistischen Impetus, neu aufkommende Sektoren und Tendenzen, die große Gefahren in sich bergen. Deutlich wird dabei vor allem Eines: Wir wissen, und tun es trotzdem...

Viel wurde und wird über digitale Zukunft geschrieben und gesprochen. Vielleicht, weil der technologische Fortschritt sich derzeit als der bequemste Gegenentwurf zur Weltuntergangserzählung erweist, derem drohenden Schlagwörter - Emission, Reduktion, 1,5 Grad und so fort - die an Wachstum gewöhnten Akteure industrialisierter Länder so sehr in Panik versetzen, dass diese fluchtartig nach vorn stürmen. Die mit der Digitalisierung einhergehenden Versprechen setzten dabei nicht nur ein "Mehr" neben das "Weniger" jener, die am Erhalt unseres Planeten interessiert sind, sondern proklamieren darüber hinaus Phantasiegebilde wie "grünes Wachstum". Da ist es wieder, das alte Lied vom Opium fürs Volk. Internet der Dinge, Smart-City und Metaverse erscheinen wie magische Instrumente, mittels denen sich - so die Erzählung - eine immer kantiger werdende Welt wieder geschmeidig machen und weichzeichnen lässt. Der technische Fortschritt wird so zu einer Ausrede. Ein Argumente dafür, nicht vernunftgeleitet handeln zu müssen.

Über welche dringlichen Fragen die Versprechungen der Tech-Giganten hinwegtäuschen, erfahren wir unter anderem in Wolfgang Hubers Buch "Menschen, Götter und Maschinen". Was bleibt vom Menschlichen in einer technischen Welt? Wie können wir dieses bewahren, wie gestalten? Was geht mit dem einher, was auch Huber als "Zeitenwende" bezeichnet? Dabei stoßen wir schon recht früh im Buch auf eine Paradoxie, die auch während der weiteren Lektüre wie heißer Teer an jeder Zeile, an jedem Verbesserungsvorschlag, an jeder Mahnung klebt: Die Inkonsequenz des postmodernen Subjekts, dass sich einerseits für informationelle Selbstbestimmung ausspricht, andererseits aber, vom Konsum diktiert, seine persönlichen Daten in die Mäuler digitaler Großkonzerne wirft. Ein Zweierlei-Maß, dass wir ebenso auf moralischer und selbstverständlicher politischer Ebene beobachten können.

Um überhaupt einen Fuß in die Tür zu bekommen...

Huber stützt sich auf den deutsch-amerikanischen Philosophen Hans Jonas, dessen Maxime "Handle so, dass die Folgen deines Handelns vereinbar sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden" oft als Leitfaden im Umgang mit Klimakrise und Artensterben bemüht wird. Hubert weitet die von Jonas vorgeschlagene Handlungsanweisung nun aus und überträgt sie auf den technischen Sektor. Selbstredend geht es dabei um das "menschliche" Leben auf Erden, um ein Miteinander, das, von technologischen und computertechnischen Revolutionen bedroht, immer poröser zu werden scheint. Huber geht durchaus ins Detail, spricht vom "unscharf"-Werden des Unterschiedes zwischen "Arbeit und Muße, Werktag und Sonntag" im Alltag der sogenannten digital natives. Instagram-Stars kennen diesbezüglich tatsächlich kein Wochenende, viele Start-Ups gehen einen ähnlichen Weg. Ist eine Segregation zwischen digitaler und realer (Arbeits)Welt nicht mehr möglich, so ist auch "persönliche Freiheit" nicht mehr möglich, so der Theologe.

Keine rechtlichen Handhaben gegen Selbstverletzung

Huber blickt auf den Bildungssektor, fragt, wie sich Erziehung verändern wird, wie die Arbeitswelt aussehen könnte und vor allem, wie wir mit Informationen umgehen. Dass die Sozialen Medien diesbezüglich unser In-der-Welt-sein komplexer haben werden lassen, steht außer Frage. Wer auf welche Weise von den Usern diverser Plattformen profitiert, welche Form der Ausbeutung also tagtäglich stattfindet und warum kostenlose Plattformen problematisch sind - das alles haben wir bereits bei Shoshana Zuboff lesen können, auf die sich auch Huber hier mehrmals bezieht. Ebenso verweist er auf Jaron Lanier, der 2018 mit seinem Buch "Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts löschen musst" als Kritiker einer Umsonst-Mentalität in Erscheinung trat. Huber zitiert:

"Ich werde also erst dann ein Nutzerkonto bei Facebook, Google oder Twitter anlegen, wenn ich dafür bezahlen darf - und wenn ich das eindeutige Recht an meinen eigenen Daten habe und den Preis für sie selbst festsetzen kann, und es einfach und normal ist, dass ich mit meinen Daten Geld verdiene, falls sie wertvoll sind." (Jaron Lanier, 2018)

Mit Lanier im Rücken verweist der Autor hier also noch einmal darauf, dass es keine Internetangebote gibt, die nicht in irgendeiner Form - oftmals mit Daten und also Privatsphäre - bezahlt werden. Beinahe schmerzlich erhält dann Einzug, was diesem Artikel seine Überschrift verlieh: Die freiwillige Verletzung der eigenen Privatsphäre kann nur schwerlich bestraft werden. Huber schreibt: "Gegen diese Selbstverletzung gibt es keine rechtlichen Handhaben, weil sie sich freiwillig durch den ungehinderten und kostenlosen Gebrauch von Internet-Plattformen oder digitalen Netzwerken vollzieht".

Technische Utopien als Gottesersatz?

Wenig überraschend sieht Huber auch die Unsterblichkeitsversprechungen, die häufig an die Vorstellungen künstlich neuronaler Netzte, lernfähige Maschinen und künstliche Intelligenz gepappt werden, kritisch. Diese utopischen Vorstellungen rücken viel zu nahe an das heran, was Gott genannt werden kann. Diesen Platz sieht der Theologe besetzt; weshalb er sich gegen transhumanistische Vorstellungen stellt, wie sie unter anderem von Ray Kurzweil proklamiert werden.

Im Zentrum dieser digitalen Ethik steht letztlich die Frage, wie sich der Mensch im Zeitalter der ununterbrochenen Informations-Reproduktion als Individuum behaupten kann. Huber plädiert dafür, technische Erneuerungen als Instrumente der Verbesserung zu betrachten und zu verwenden. Und stellt sich somit gegen all jene, die nicht verbessern, sondern ersetzen wollen.


Wolfgang Huber - "Menschen, Götter und Maschinen. Eine Ethik der Digitalisierung" / C. H. Beck / 2022 / 207 Seiten / 18 €


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