Dirk Brockmann Im Wald vor lauter Bäumen

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Im Wald vor lauter Bäumen - Unsere komplette Welt besser verstehen. Cover dtv Verlagsgesellschaft

"Im Wald vor Lauter Bäumen" ist ein sehr aufschlussreicher Exkurs in die noch recht junge Welt der Netzwerk-Wissenschaften. Die Texte sind sehr unterhaltsam und weniger für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema geeignet. Dirk Brockmann will mit seinem Buch Interesse für seine Wissenschaft wecken. Er zeigt dabei an unterschiedlichsten Beispielen, wo es Sinn macht, komplexe Zusammhänge mit den Erkenntnissen der Netzwerkwissenschaften zu erklären.

Da wäre zum Beispiel der synchrone Flug von Vogel- und Fischschwärmen, die scheinbar auf magische Weise kommunizieren und sehr schnell ihre Richtung wechseln können, ohne im Chaos zu enden. Dabei findet er auch Parallelen zu uns Menschen, denn wir zeigen ähnliche Muster in großen Gruppen, z.B. auf stark frequentierten Fußwegen oder bei Großveranstaltungen. So erklärt Dirk Brockmann, warum der Unfall bei der Love Parade in Dortmund im Jahre 2010 kein menschliches Versagen war. Synchron verhalten wir uns ebenfalls auf dem Aktienmarkt, und es lässt sich sogar beweisen, dass Aktienhändler davon profitieren, wenn sie allgemeinen Trends zu folgen.

Ein anderes Beispiel komplexen Verhaltens zeigen die Singzikaden in den USA, die offensichtlich die Gesetze der Primzahlen beherrschen und sich nur aller 13 und 17 Jahre paaren, mit dem Vorteil, dass die Gruppe nur aller 221 Jahre gemeinsam Nachwuchs bekommt. Diese Zikaden sind deshalb besonders resistent gegenüber extremen Umwelteinflüssen.

Netzwerkwissenschaften sind ein wichtiges Instrument, um geeignete Maßnahmen in einer Pandemie zu finden. Sie können erklären, warum kurze und harte Maßnahmen immer die bessere Wahl sind, und warum auch ohne Maßnahmen eine Infektionswelle nach einer bestimmten Zeit wieder von alleine abklingt.

"Im Wald vor lauter Bäumen“ ist voller weiterer interessanter Fakten, da wäre die Frage, warum unsere Bekannten immer mehr Freunde haben, als wir selbst, oder warum Durchschnittsgehälter dem Pareto-Prinzip folgen, oder warum der Darwinismus ein Nährboden für den Faschismus war, oder warum Kooperative Systeme die erfolgreicheren Systeme sind, warum unsere Wirtschaft nicht stabil sein kann und Wachstum nie auf Gleichgewicht ausgelegt ist.

Im Grunde ist "Im Wald vor lauter Bäumen“ ein optimistisches Buch. Zum einen gibt es Mut, komplexe Systeme verstehen zu wollen und nicht daran zu verzagen. Es gibt dankbarerweise ein Stück Gelassenheit, bei den Herausforderungen dieses Jahrhunderts in Hinblick auf gesellschaftliche Krisen und den Klimawandel.

"Im Wald vor lauter Bäumen“ ist 2021 bereits in der vierten Auflage beim der dtv Verlagsgesellschaft erschienen.


Dirk Brockmann

Dirk Brockmann wurde 1969 geboren und ist Professor am Institut für Biologie der Berliner Humbolt-Universität. Er lehrte zuvor in den USA. Dirk Brockmann studierte Physik und Mathematik und hat sich früh mit komplexen Phänomen außerhalb der traditionellen Grenzen der Physik beschäftigt.



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