Literaturhaus Leipzig vor dem Aus: Petition und Stadtratsdebatte um Erhalt der Institution

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Während das Literaturhaus Leipzig für Januar 2026 mit Lesungen von Annett Gröschner, Victor Schefé, Anja Kampmann und Clemens Meyer wirbt, ist die letzte offizielle Programmankündigung des Jahres keine Veranstaltung, sondern ein Appell. Unter dem Datum 31. Dezember steht im Kalender: Petition. Initiiert vom Netzwerk der Literaturhäuser e.V., will sie das Aus der Leipziger Institution verhindern – denn die finanzielle Basis des Literaturhauses ist akut gefährdet.

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Der Petitionstext beschwört die kulturelle Strahlkraft Leipzigs: von Zoo und Gewandhausorchester über den Champions-League-Club RB Leipzig bis zur traditionsreichen Buchmesse und dem Literaturinstitut. Leipzig sei eine Stadt, „die alles hat, was eine Metropole braucht“, heißt es. Was aber fehle, sei die kommunale Trägerschaft für ihr Literaturhaus – eine Selbstverständlichkeit in Städten wie Hamburg, Frankfurt oder Berlin.

Kulturhaus mit Geschichte – und prekärem Fundament

Das Literaturhaus Leipzig wurde 1996 gegründet und ist im Haus des Buches untergebracht – betrieben vom Verein Literaturhaus Leipzig e.V., getragen bislang jedoch nicht von der Stadt. Die Grundfinanzierung stammte aus DDR-Altvermögen, freigegeben per Beschluss von 1990. Nach fast 30 Jahren, über 5000 Veranstaltungen und prominenten Gästen aus dem In- und Ausland, steht die Institution nun vor dem Aus: Die Mittel sind aufgebraucht, die Stadt müsste übernehmen. Doch der aktuelle Doppelhaushalt 2025/26 steht unter strengen Sparvorgaben.

Was sagt die Politik? Stadtratsfraktionen äußern sich unterschiedlich

Eine Anfrage der Berliner Zeitung zeigt ein geteiltes Bild unter Leipzigs Ratsfraktionen:

  • Die Grünen betonen durch Gesine Märtens, Vorsitzende des Kulturausschusses, dass eine städtische Förderung „unerlässlich“ sei, verweisen aber auf die angespannte Haushaltslage. Auch andere Förderquellen – Land, Bund, private Stiftungen – müssten eingebunden werden.
  • Die SPD sieht das Literaturhaus als „Knotenpunkt der Buch-Branche“, betont aber, dass es keine „übrigen Mittel“ gäbe. Pia Heine warnt davor, freie Kulturträger gegeneinander auszuspielen, lobt jedoch „konstruktive Gespräche“, die in einen gemeinsamen Antrag mehrerer Fraktionen mündeten.
  • Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) spricht sich deutlich für den Erhalt aus. Kulturpolitiker Ralf Pannowitsch vergleicht die Bedeutung des Literaturhauses mit der von Gewandhaus oder Thomaskirche.
  • Die AfD fordert dagegen eine Umverteilung bestehender Mittel, insbesondere aus dem Bereich Soziokultur.
  • CDU und Die Linke äußerten sich auf Anfrage nicht, auch die Freie Fraktion bleibt ohne Stellungnahme.

Skadi Jennicke (Die Linke), Leipziger Kulturbürgermeisterin seit 2016, stellt klar: Die Stadt unterstütze das Literaturhaus seit Jahren mit Projektmitteln. Doch eine institutionelle Förderung sei „in der aktuellen Haushaltslage sehr schwierig“.

Finanzbedarf – 0,05 Prozent des Kulturetats

Ein Antrag an die Ratsversammlung beziffert den jährlichen Finanzbedarf auf 205.000 Euro – das entspricht gerade einmal 0,05 Prozent des städtischen Kulturetats von 420 Millionen Euro. Zum Vergleich: Das Literaturhaus München erhält über eine Million Euro jährlich.

Mietvertrag gekündigt – aber Hoffnung bleibt

Ein weiteres Problem ist die Raumsituation: Das Literaturhaus ist Mieter im Haus des Buches, das dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels gehört. Dessen Hauptgeschäftsführer Peter Kraus vom Cleff, zugleich Vorstandsmitglied des Literaturhauses, kündigte vorsorglich den Mietvertrag zum 31. März 2027 – nicht als Schlusspunkt, sondern um Handlungsspielraum zu schaffen. Der Fortbestand der Institution, so betont er, werde „nicht vom Mietvertrag abhängen“, sondern davon, „was Stadt und Freistaat die Fortführung des engagierten Literaturhauses trotz knapper Kassen wert ist“.

Petition für Kultur – ein Signal an die Öffentlichkeit

Die Petition ist online abrufbar unter https://innn.it/zukunftliteraturhausleipzig. Sie versteht sich als Weckruf: gegen den kulturpolitischen Rückzug, für eine Stadt, die Literatur nicht nur als Erinnerung, sondern als Gegenwart begreift. Die Initiator:innen hoffen, dass der Stadtrat in Kürze einen fraktionsübergreifenden Beschluss zum Erhalt des Hauses fasst.

Der Jahreswechsel bringt damit für das Leipziger Literaturhaus keine Ruhe, sondern eine offene Zukunft.

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