Dr. Margit Engelman:Momentaufnahmen während meines Aufenthaltes in einer Reha- Klinik im Juli 2025

Vorlesen

Anlass war dieser Moment, der den Anstoß zum Schreiben war. Danke, Yves

Opa und die Möwe

Nun also doch! Lange habe ich überlegt, meine Gedanken aufzuschreiben, aber für wen? Letztendlich für mich oder?

Und nun hat mich mein großer Enkel angeregt, tatsächlich kleine Geschichten, die uns das Leben bietet, zu schreiben.

Wir trafen uns nämlich am Sonntag und ich habe seine Bachelorarbeit Korrektur gelesen.

Danach aßen wir eine kleine Pizza bei „Ditch“, das mag er immer noch.

Dabei beobachtete er meinen Mann und sagte lachend: „Darüber könnte man eine kleine Geschichte schreiben: Opa und die Möwe!“

„Opa“ verjagte nämlich eine Möwe, die ihn gierig beobachtete und ein Stück seiner Pizza ergattern wollte. Das gelang ihr nicht und sie lief flugs davon.

Gott ist immer unter uns

Nun sitze ich also im kleinen Foyer der Reha-Klinik und beobachte die Patienten. Frauen und Männer laufen in verschiedene Richtungen eilig oder suchend vorbei.

Gesenkten Blickes oder lächelnd eilen sie vorbei.

Erin älterer Herr mit Gehstock spricht einen sitzenden Patienten an, er grüßt ihn. Daraufhin fragt er ihn lächelnd: “Gehst du zur Bibelstunde?“ Dieser entgegnete ebenso lächelnd: „Wieso? Sehe ich so aus? Ich bin doch kein Vikar oder so etwas. Aber Gott ist ja immer unter uns!“

Mit der rechten Hand gestikulierend hält er geschäftig sein Behandlungsbuch unter dem Arm und stützt sich auf seinen Stock in der linken Hand.

Eine junge Therapeutin kommt lächelnd vorbei und fordert alle sitzenden Patienten(oder soll ich Patientinnen sagen?) auf, zu lächeln.

Das ist ihre besondere Art, mit Patienten/innen umzugehen.
Ich frage mich, ob ihr Lächeln tatsächlich echt ist, jedenfalls sieht es so aus.

Eine Gruppe von Frauen wartet auf eine Psycho- Gesprächsrunde und eine Patientin bemerkt:“ Aber da betätigen wir uns ja gar nicht!“

Ich denke darüber nach und gebe zu bedenken, dass Sprechen im Zusammenhang mit Denken auch eine Tätigkeit ist, eine sehr wichtige sogar!

Kontakte

In jeder Minute, in fünf Minuten geschehen Dinge, Teil unseres Lebens sind, die wir oft nicht wahrnehme. Wir laufen aneinander vorbei und haben dabei unsere eigenen Gedanken.

Nicht immer haben wir das Bedürfnis, uns anderen Menschen mitzuteilen. Jedoch habe ich darüber nachgedacht, dass es mithilfe des Handys (Smartphones) sehr leicht ist und man tatsächlich oft abgelenkt vom eigentlichen Dasein ist. Ich bemerke, dass meine Gedanken oft nicht bei mir, sondern bei meiner Familie sind und diese möchte ich erreichen. Also schnell den Kontakt auf dem Handy gesucht!

Entspannung?

Ich sitze wieder im kleinen Foyer und nehme die sitzenden und vorübergehenden Patienten wahr.

Ein bärtiger junger Mann setzt sich zu mir an den Tisch. Er ist mit einer Trainingshose und einem weißen Baumwollhemd bekleidet. Seinen Kaaeebecher hat er auf den Tisch gestellt, trinkt aber nicht., sondern sieht freundlich vor sich hin.

Sein aufdringlicher Körpergeruch strömt mir entgegen.

Es ist nach 16.00 Uhr und die PatientInnen müssen ihr Behandlungspläne abholen, um zu erfahren, welche Anwendungen sie am folgenden Tag haben werden.

Eine Frau mit einem Shirt mit auaälligen Blattmuster spricht einen Mann älteren Alters an und fragt ihn: „haben Sie alles hinter sich?“ Scheinbar sind oder waren die Behandlungen doch belastend.

Also doch keine Entspannung?

Wer bin ich?

Ich betrat heute Neuland, wollte wissen, wie Klangschalen auf meinen Körper wirken. Es war eine interessante Therapie.

Aber die Musiktherapeutin fand oaensichtlich meine Beutel, den ich mir in Griechenland auf Kreta gekauft habe, sehr interessant.

Mehrmals sprach sie mich darauf an und ich erklärte ihr das Motiv der Festung Knossos.

Ein derber Stoa in bunten Farben stellt einen Lebensbaum dar, ein Motiv, das sie oaensichtlich auch mochte.

Angeregt durch das Interesse an meinem Sportbeutel, betrachte ich nun vorbeieilende Patienten, die einen Sportbeutel tagen.

Erinnerungen an die DDR werden wach, wenn ich bunte Beutel aus Dederon sehe.

Auaällig ist, dass Männer diese trage. Ob weiß oder bunt gemustert, so hängen sie am Handgelenk und beinhalten wohl eine Trinkflasche und das Therapieheft.

Aber auch „Rossmann“, „Rewe“ und „Kaufland“ laufen in Form kleiner Taschen an mir vorbei. Das scheint wohl jetzt in zu sein.

Eine ältere Frau schleift einen roten Beutel hinterher, einen andere trägt einen weißen Beutel.

Nun wird mir die Vielfalt bewusst und ich kann gar nicht aufhören all, diese Beutel und Taschen wahrzunehmen. Mein Blick richtet sich nun auch auf T- Shirts: Männer zeigen „Camp David“ oder dass sie auf dem „Spreewald-Rockfestival“ waren. „Meister (ihrer) der Heimat“ – ein Siegertyp also! Seht her, der/das bin ich!

Frauen tragen „just beautiful“ oder „for a big blue future“.
Nachdenklich lese ich den Schriftzug „It`s a good idea“ und frage mich: Wer bin ich ?

Akten- Fakten- Menschlichkeit

Weiße Kittel laufen mit Akten in den Händen von Tür zu Tür. Die Türen klappen. Es sieht geschäftig aus.

Meine mich behandelnde syrische Ärztin begrüßt mich freudig und lächelt mich an. Sie fragt nach meinem Gesundheitszustand und freut sich ganz herzlich, denn es geht mir besser.

Eine junge Ärztin kommt ihr entgegen und sie umarmt sie stürmisch. Was ist passiert?

Ihre Augen leuchten. Beide fallen sich in die Arme, lachen und herzen ich. Und nun kommen sie auch zu mir, um ihre Freude mit mir zu teilen.

Die für mich zuständige Ärztin stellt mich vor und drückt mich herzlich.

Nun erfahre ich, dass ihre junge Kollegin ihre Approbationsprüfung bestanden hat. Ich gratuliere ihr ebenso herzlich.

So viel Menschlichkeit, so viel Freude, so viel Fürsorge!

Das wünsche ich mir nicht nur im Kleinen, sondern zwischen allen Menschen im Großen.

Hier klappen nicht nur die Türen. Es zählen hier nicht nur Akten und Fakten, sondern hier klappt es auch mit der Menschlichkeit!

Vielen Dank dem gesamten Team der Reha- Klinik

„Hallo !“

„Hallo! Kennen wir uns nicht?“ Lachend gehen zwei Frauen aufeinander zu und schon sind sie auch wieder vorbeigegangen.

Zwei ältere Herren lachen sich an, der eine gegrüßt den anderen mit den Worten:“ ich sitze jetzt auf der Auswechselbank!“ Beide lachen und warten darauf, dass sie von einem Therapeuten oder einer Therapeutin aufgerufen werden.

Und wieder schallt ein freundliches Lachen aus einer Behandlungstür dem Mann entgegen. So freundlich kann also der Morgen sein!

Alles gut?

Hastig läuft eine Therapeutin ohne Gruß an mir vorbei und eilt zu einem anderen Patienten.

Ich vernehme Gemurmel und die Therapeutin entgegnet ebenso hastig, wie sie an mir vorbeigelaufen war: „Alles gut,... alles gut!“ Und schon flitzt sie wieder zur Ausgangstür und verschwindet mit den Worten: „Alles gut!“

Und nun höre ich schon wieder aus der rechten Kabine die Worte einer Therapeutin: „Alles gut!“

Es scheint ja hier alles gut zu laufen oder zu sein? Da bin ich mal gespannt, ob wirklich alles gut ist.

Nein. Ist es nicht! Die Therapeutin ruft gerade die Stationsschwester an, dass ich nicht da sei! Ich melde mich prompt. Dann wird ja doch noch alles gut. Sofort werde ich gut versorgt.

Draußen vor der Kabine höre ich einen Patienten die Therapeutin fragen: „Alles gut?“ Sie entgegnet schlagfertig: „Bei mir ja. Und bei Ihnen?“ Die Antwort konnte ich leider nicht verstehen.

Meine Behandlung war beendet, die Zeit verging wie im Flug. Draußen im Gang warteten schon wieder andere Patienten und ich erblickte auch meine Tischnachbarin. Sie richtete eine fragenden Blick auf mich mit den Worten: „Alles gut?“

Daufhin antwortete ich ihr:“ Nein, aber es wird!“ und sie lachte.

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