„Hase und ich“ von Chloe Dalton – Rezension: Ein literarischer Blick auf Nähe, Natur und stille Erkenntnis

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In Zeiten ökologischer Krisen, digitaler Überreizung und wachsender Entfremdung von der Natur, gewinnen stille Geschichten wie „Hase und ich“ an Bedeutung. Chloe Dalton liefert keine Thesen, keine Appelle, keine Faktenberge – sie erzählt von Nähe. Vom genauen Hinsehen. Und vom Vertrauen zwischen zwei Lebewesen, das sich ganz ohne Worte entfaltet.

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Hase und ich: Die Geschichte einer außergewöhnlichen Begegnung

Gerade deshalb ist dieses Buch aktueller denn je: Es erinnert daran, dass Natur kein Konzept ist, sondern Beziehung – und dass selbst in der kleinsten Begegnung eine Möglichkeit zur Selbstveränderung liegt.

Inhalt von „Hase und ich“ – Worum geht es in Chloe Daltons Naturmemoir?

Chloe Dalton, Londonerin und Politikberaterin, zieht sich während des Lockdowns in ein Landhaus zurück. Dort entdeckt sie ein winziges, mutterloses Feldhasenjunges. Statt es einem Wildtierzentrum zu übergeben, entscheidet sie sich für eine eigene Aufzucht.

Was folgt, ist kein sentimentaler Erlebnisbericht, sondern eine klug beobachtete, behutsam erzählte Annäherung zweier Lebewesen, die unterschiedlicher kaum sein könnten – und sich doch eine Zeit lang vertrauen.

Dalton gibt dem Hasen keinen Namen, versucht bewusst, seine Wildheit zu bewahren. Dennoch entwickelt sich eine Beziehung: durch Gesten, Routinen, Nähe. Der Hase kommt und geht. Und hinterlässt Spuren – nicht nur im Garten, sondern auch in Daltons Selbstbild.

Wie Chloe Dalton erzählt

Daltons Ton ist ruhig, fast dokumentarisch. Sie romantisiert nicht, sie beobachtet. Der Text ist reich an Naturbeschreibungen, aber frei von Kitsch. Ihre Sprache ist klar, poetisch, manchmal lakonisch.

Was das Buch lesenswert macht, ist gerade diese Sprachdisziplin: Dalton schreibt nicht über ein Haustier, sondern über ein Wildtier. Der Respekt vor der Eigenständigkeit des Hasen ist in jeder Zeile spürbar.

Zudem: Die Struktur ist lose, tagebuchartig, aber nicht beliebig. Kapitel orientieren sich an Entwicklungsphasen – des Hasen und der Erzählerin. Das macht das Buch trotz ruhigem Tempo abwechslungsreich.

Was das Buch wirklich verhandelt

1. Natur als Spiegel der Selbstveränderung

Daltons Memoir ist keine Tiergeschichte – es ist eine Geschichte über Aufmerksamkeit. Der Hase zwingt sie zur Langsamkeit, zur Präsenz. Das Tier braucht nichts von ihr, es fordert nicht – aber es verlangt ein genaues Hinsehen.

So wird der Hase zum Katalysator einer inneren Veränderung: Dalton, deren Alltag vorher durch politische Terminkalender bestimmt war, entdeckt die Qualität des Augenblicks neu.

2. Tierethik und Verantwortung

Das Buch wirft zentrale Fragen auf: Was heißt Verantwortung für ein Wildtier? Wo endet Fürsorge, wo beginnt Übergriffigkeit?

Dalton schildert konkret, wie sie sich Wissen aneignet, wie sie mit Fehlern umgeht – ohne sich zu idealisieren. Ihre Haltung bleibt reflektiert: Sie ist sich ihrer Grenzüberschreitung bewusst – und versucht dennoch, dem Tier gerecht zu werden.

3. Naturbeobachtung als literarisches Genre

„Hase und ich“ steht in der Tradition von Helen Macdonalds „H wie Habicht“ oder Charles Foster („Der Mensch, der ein Tier sein wollte“): Bücher, in denen Tierbeobachtung zur Selbstbeobachtung wird.

Daltons Ansatz ist unaufdringlicher, weniger essayistisch – aber gerade das macht ihre Stimme besonders: eine stille Erzählerin, die weiß, wann sie sich zurücknehmen muss.

Kritische Bewertung – Wo das Buch punktet, wo es schwächelt

Was überzeugt:

  • Dalton vermeidet Tierklischees – ihr Hase bleibt fremd, wild, faszinierend.

  • Das Buch bringt Nähe ohne Vereinnahmung.

  • Die Sprache ist präzise, kontrolliert, tief empfunden.

  • Die Illustrationen von Denise Nestor begleiten zurückhaltend, aber wirkungsvoll.

Was fehlt:

  • Leser, die eine klassische Dramaturgie suchen, könnten enttäuscht sein.

  • Daltons persönliche Biografie bleibt etwas unterbelichtet – ein stärkerer Kontrast zum „Vorher“ hätte die Veränderung greifbarer gemacht.

  • Manche Passagen wirken wie Skizzen – stilistisch stark, aber dramaturgisch nicht immer zielgerichtet.

Vergleich und Einordnung – Für wen ist dieses Buch geeignet?

„Hase und ich“ eignet sich für Leser, die literarisch erzählte Naturerfahrungen schätzen, aber keine Erbauungsliteratur erwarten. Es ist ein Buch für:

  • Menschen, die Nature Writing ohne Pathos mögen

  • Leser, die Helen Macdonald, Sy Montgomery oder Robert Macfarlane schätzen

  • Alle, die Tierethik, Selbstbeobachtung und Umweltbewusstsein miteinander denken wollen

Ein stilles, starkes Buch über das Wesentliche

„Hase und ich“ ist ein Buch über Respekt – gegenüber der Natur, dem Tier, dem eigenen Unwissen. Chloe Dalton gelingt ein Memoir, das nicht belehrt, nicht emotionalisiert, sondern leise verwandelt.

Wer bereit ist, sich auf die Stille einzulassen, wird hier belohnt – mit klugen Gedanken, poetischen Bildern und einer Geschichte, die zeigt: Die großen Veränderungen beginnen oft im Kleinen. Oder bei einem Hasenjungen im Wintergras.

Über die Autorin – Chloe Dalton

Chloe Dalton ist Politikwissenschaftlerin und langjährige Politikberaterin, unter anderem für den britischen Außen- und Sicherheitspolitikbereich. „Hase und ich“ ist ihr literarisches Debüt.

Sie lebt heute zwischen London und einem ländlichen Anwesen im Süden Englands – ein Rückzugsort, der auch in ihrem Buch eine zentrale Rolle spielt. Ihre literarische Stimme verbindet Sachlichkeit mit Empathie – eine seltene Kombination im Genre des Nature Writing.

Was macht „Hase und ich“ von Chloe Dalton zu einem besonderen Nature Writing Buch?

„Hase und ich“ überzeugt durch seine leise, beobachtende Erzählweise und die konsequente Vermeidung von Kitsch. Chloe Dalton beschreibt eine wahre Begegnung mit einem Feldhasen – ohne Verniedlichung, aber voller Respekt. Das macht das Buch zu einem authentischen Beitrag im Genre des modernen Nature Writing.

Handelt es sich bei „Hase und ich“ um eine wahre Geschichte?

Ja. Chloe Dalton schildert in „Hase und ich“ ihre reale Erfahrung während des Lockdowns, als sie ein verwaistes Hasenjunges aufzieht. Die Erlebnisse sind autobiografisch, werden jedoch literarisch reflektiert und eingebettet in größere Fragen zu Natur, Verantwortung und Selbstwahrnehmung.

Für welche Leser eignet sich Chloe Daltons „Hase und ich“ besonders?

Das Buch richtet sich an Leser, die stille Naturerfahrungen schätzen, sich für Wildtiere interessieren und keine dramatische Handlung, sondern feine Beobachtung und Selbstreflexion suchen. Ideal für Tierfreunde, Slow-Reading-Enthusiasten und Fans von literarischen Memoiren.

Warum ist „Hase und ich“ mehr als nur ein Buch über einen Feldhasen?

Weil es nicht um Tierliebe geht, sondern um Aufmerksamkeit. Chloe Dalton nutzt die Begegnung mit dem Hasen, um über Verantwortung, Wildheit und die Beziehung des modernen Menschen zur Natur nachzudenken – literarisch, ehrlich, fern von Idealisierung.


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