Kulturhistorisches Museum "Zwischen Faszination und Kinderschreck" - Magdeburg zeigt Struwwelpeter-Ausstellung

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1844 veröffentlichte der Arzt und Psychiater Heinrich Hoffmann ein Kinderbuch, dessen Geschichten rückblickend ganze Generationen geprägt haben. "Der Struwwelpeter" galt damals als ein fortschrittliches Werk und avancierte schnell zum erfolgreichsten Erziehungsratgeber Europas. Aus heutiger Perspektive erscheinen die Geschichten vom "Zappel-Phillipp" und "Suppenkasper" eher befremdlich. Das Kulturhistorische Museum Magdeburg widmet sich in der Sonderausstellung "Zwischen Faszination und Kinderschreck" den unterschiedlichen Entwicklungsstadien des "Struwwelpeters" und zeigt, wie ein Buch zu einem Politikum wurde.

Das Kulturhistorische Museum Magdeburg beleuchtet in der Sonderausstellung "Zwischen Faszination und Kinderschreck" die Entwicklungsstadien des "Struwwelpeters" Bild: Kulturhistorisches Museum Magdeburg

"Der Struwwelpeter" gilt heute als Inbegriff einer Pädagogik, die den Schmerz als legitimes Erziehungs-Mittel setzte. Der Daumenlutscher verliert seinen Daumen, der das Essen Verwehrende verhungert, der in die Luft Starrende fällt ins Wasser und die mit Streichhölzern kokelt, verbrennt - was auf Kinder abschreckend wirken sollte, wirkte auf die Eltern zugleich als Maßstab für die eigenen - nicht selten ohnehin bereits repressiven - Erziehungsmethoden. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der "Struwwelpeter" zunehmend kritischer gelesen. Man erkannte die "autoritär-dogmatische Unbedingtheit" (Karl Ernst Maier) in den Geschichten und vermutete sogar, Hoffmann habe mit den Geschichten den Versuch unternommen, sich selbst zu heilen, wobei er andere verwundete (Gerald Jatzek). Auch die Psychologin Anita Eckstaedt nahm in ihrer Interpretation "Der Struwwelpeter: Dichtung und Deutung" Bezug auf Hoffmanns Biografie.

Struwwelpeter, Struwwelhitler, Struwwelliese

Ebendort beginnt auch die Sonderausstellung "Der Struwwelpeter: "Zwischen Faszination und Kinderschreck", die noch bis zum 29.01.2023 im Kulturhistorischen Museum Magdeburg zu sehen ist. Von der Biografie Heinrich Hoffmanns ausgehend führt sie zu den frühen ersten Ausgaben, nimmt dann Bezug auf die Politisierung des "Struwwelpeters" mit "Struwwelhitler", beleuchtet die weibliche Variante "Struwweliese" und stellt gänzlich neue Versionen und Geschichten vor. Über 200 Exponate, teilweise bisher angezeigt, bilden die Vielfalt und den Kosmus dieses weltberühmten Kinderbuches ab. Dazu gehören neben Originalzeichnungen auch die zahlreichen Adaptionen des "Struwwelpeters", die auf Bühnen, in Musikvideos, Zeichentrickserie und Hörspielen zu finden sind.

Die neun Geschichten des "Struwwelpeters" werden innerhalb der Ausstellung separat behandelt. Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch, welche einen Einfluss die hoffmannschen Narrative seit ihrer Entstehung auf Künstlerinnen und Künstler hatten. Zu sehen sind Interpretationen aus der zweiten Hälfte des 20. und dem frühen 21. Jahrhundert; darunter etwa "Struwwelpeters Rückkehr" von Anke Kühl oder der "Strudel-Vater" von Matthias Kringe.

Wie verhält sich eine der umstrittensten Figuren der deutschen Kinderbuch-Geschichte zu aktuell stark diskutierten Themen wie Vielfalt und Toleranz, Gender, Medien und Pädagogik. Innerhalb der einzelnen Ausstellungskapitel wird somit die gesamte Bandbreite der Lesarten und Interpretationsmöglichkeiten des "Struwwelpeter" vor Augen geführt.


Kuratorenführungen finden am 30.10.2022, 04.12.2022, 11.12.2022, 15.01.2023 und 29.01.2023 jeweils um 11:00 Uhr und am 26.12.2022 um 14:00 Uhr statt. Begleitet wird die Ausstellung zusätzlich von einem breiten museumspädagogischen Angebot für alle Schulklassen und Ferienprogrammen am 02. und 03.11.2022 und am 22.12.2022 ab 14:00 Uhr.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Kulturhistorischen Museums Magdeburg

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