Asperger-gefährdeter Forscher sucht Ehefrau - jetzt soll Graeme Simsions Bestseller verfilmt werden. Aber lohnt sich die Lektüre überhaupt?
Nach vielen Wochen in den Top 10 hat es Graeme Simsions Das Rosie-Projekt wieder auf Platz 1 der Bestseller-Charts geschafft. Dass die zauberhafte Liebesgeschichte um einen verschrobenen Forscher mit deutlichen Asperger-Symptopmen und einer burschikosen Doktorantin keine Eintagsfliege ist, kommt nicht von ungefähr.
Doch der Reihe nach: Der Australier Graeme Simsion ist ein gemachter Mann, seit niemand Geringeres als Bill Gates hat dessen Debut-Roman in sein legendäres öffentliches Bücherregal aufgenommen und mit einer überraschend detaillierten Laudatio an die Chartspitze gelobt hat. Jetzt soll das Buch sogar verfilmt werden.
Und darauf kommt es an: Sie müssen sich, so wie Gates sich selbst, in Teilen des Helden Don Tillman wieder erkennen. Lieben Sie The Big Bang Theory und insbesondere Dr. Dr. Sheldon Lee Cooper?
Dann ist Genetiker Tillman, der sein Leben als dauerhafte Versuchsanordnung sieht und entsprechend schematisch durchgeplant hat, der Held, den Sie ins Herz schließen werden. Jemand wie Don Tillman scheitert an einfachsten zwischenmenschlichen Aufgaben. So ist es für Tillman ein schier unlösbares Optimierungsproblem, mehr als eine Freundschaft gleichzeitig zu pflegen.
Gezielt bringt Graeme Simsion aber seinen Helden in eine Situation, sie er als krankhafter Logiker unmöglich bestehen kann: Er sucht eine Frau fürs Leben.
Doch bei Don Tillman schießen nicht einfach nur die Hormone ins Kraut, sondern er sieht eine dauerhafte Beziehung nach seiner Analyse anderer Paare schlicht in seiner Lebenssituation als folgerichtig an.
Dazu fertigt er einen immer ausgefeilteren Fragebogen an, den er insgeheim den zur Diskussion stehenden Damen vorlegt und damit jedem Date den Charme eines Kreuzverhörs verleiht. Das ändert sich schlagartig, als Kollege und Frauenheld Gene ihm Rosie vorbei schickt und sie so gar nicht in sein Ehefrauen-Projekt passen will. Zwar arbeitet Rosie an ihrer Doktorarbeit in Psychologie - aber in erster Linie macht sie ihrem Wesen mit ihrer Nebenbeschäftigung als Barfrau alle Ehre: Sie ist mit Humor, Lebensgewandtheit und jeder Menge Sex-Appeal nicht nur genau das Gegenteil von Don Tillmann, sondern verwirrt ihn auch noch zutiefst, weil sie jeden noch so wissenschaftlichen Fragebogen schlichtweg sprengt.
Doch Rosie ist keine von Frauenheld Genes Empfehlungen für eine heiße Nacht. Sie sucht vielmehr nach ihrem leiblichen Vater und benötigt Don Tillmans Fähigkeiten als Genetiker. Schließlich zwingt das "Vater-Projekt" das ungleiche Pärchen in eine Partnerschaft. So erweist sich Don Tillman als genau die richtige Wahl, wenn es gilt, unauffällig 117 Genproben während einer Dinnerparty zu nehmen, zu sichten und wissenschaftlich auszuwerten. Dafür zerredet Tillman jedes romantische Hummer-Essen auf dem eigenen Balkon oder zieht beim Tango Schneisen der Verwüstung durchs Parkett. Es leuchtet ein, dass die beiden trotz aller Gegensätze zusammen finden - aber dies möchten wir Ihnen Graeme Simosion selbst erzählen lassen...
Trotz der Millionen-Auflage hat sich Das Rosie-Projekt auf Amazon.de allerdings einige negative Bewertungen eingefangen.
Man muss nämlich wissen, dass sich der Charme des Rosie-Projektes im Wesentlichen aus der Situationskomik der Dialoge und des fast als Running Gag wiederkehrenden Gegensatzes zwischen Don Tillmann und den "normalen" Menschen entwickelt. Wer eine sich überstürzende Handlung erwartet oder etwa mit dem Helden selbst nicht klar kommt, liegt hier falsch. Man muss mit Don Tillmann, der garantiert immer das Falsche tut, einfach mitleiden können. Da treibt die Handlung schon mal vor sich hin, die Entwicklung wird vorhersehbar, auch wenn man ihr gern entgegen sieht.
Schließlich hat der Roman nämlich noch eine lebensbejahende Botschaft: Auch Menschen, die äußerlich völlig ungewöhnlich und anders reagieren, haben die gleichen menschlichen Gefühle. Da sind Fremdschämer fehl am Platz.
Topnews
Ein Geburtstagskind im November: Astrid Lindgren
Geburtstagskind im Oktober: Benno Pludra zum 100. Geburtstag
Das Geburtstagskind im September: Roald Dahl – Der Kinderschreck mit Engelszunge
Ein Geburtstagskind im August: Johann Wolfgang von Goethe
Hans Fallada – Chronist der kleinen Leute und der inneren Kämpfe
Ein Geburtstagskind im Juni: Bertha von Suttner – Die Unbequeme mit der Feder
Ein Geburtstagskind im Mai: Johannes R. Becher
Ein Geburtstagskind im April: Stefan Heym
Ein Geburtstagskind im März: Christa Wolf
Bertolt Brecht – Geburtstagskind im Februar: Ein literarisches Monument, das bleibt
Wie Banksy die Kunst rettete – Ein überraschender Blick auf die Kunstgeschichte
Ein Geburtstagskind im Januar: Franz Fühmann
Zauberberg 2 von Heinz Strunk
100 Jahre „Der Zauberberg“ - Was Leser heute daraus mitnehmen können
Oschmann: Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung“ – Umstrittene russische Übersetzung
Überraschung: Autorin Han Kang hat den Literaturnobelpreis 2024 gewonnen
PEN Berlin: Große Gesprächsreihe vor den Landtagswahlen im Osten
„Freiheitsschock“ von Ilko-Sascha Kowalczuk
Precht: Das Jahrhundert der Toleranz
Eine Fortsetzung für Fans
Die Axt im Haus erspart das Schreckgespenst
Die Hexen in der Nachbarschaft
Supergirl Salander
Stieg Larsson vs. David Lagercrantz: Wer ist besser?
Süß wie ein Sahne-Bonbon
McGyver auf dem Mars
Bauer sucht Beckett
Bummelzug ins Beziehungsdrama
Das gesprächige Genital
Kopfkino in Technicolor
Ist das Kunst oder kann das auf den Friedhof?
Murakami ist müde
Das Beste kommt zum Schluss
Die internierte Heldin
Aktuelles
„Ein Faden, der sich selbst spinnt“ – Jon Fosses Vaim und der Rhythmus der Abwesenheit
Deutscher Kinderbuchpreis 2026 gestartet – Einreichungen ab sofort möglich
Jahresrückblick Literatur 2025
Zwei Listen, zwei Realitäten: Was Bestseller über das Lesen erzählen
Ludwig Tiecks „Der Weihnachtsabend“ – eine romantische Erzählung über Armut, Nähe und das plötzliche Gute
Krieg in der Sprache – wie sich Gewalt in unseren Worten versteckt
Literaturhaus Leipzig vor dem Aus: Petition und Stadtratsdebatte um Erhalt der Institution
Thomas Manns „Buddenbrooks“ – Vom Leben, das langsam durch die Decke tropft
Mignon Kleinbek: Wintertöchter – Die Frauen
Grimms Märchen – Zuckerwatte, Wolfsgeheul und ganz viel „Noch eins!“
Ich weiß, warum der gefangene Vogel singt von Maya Angelou – Ein Mädchen, eine Stimme, ein Land im Fieber
Johanna Hansen: SCHAMROT: Eine niederrheinische Kindheit
Mignon Kleinbek: Wintertöchter – Die Kinder
Wau! – Daniel Kehlmann unter den besten Büchern der New York Times
Der Freund von Freida McFadden – Dating, das nach Angst riecht
Rezensionen
Goreng – 33 urdeutsche Gerichte von Horst Kessel – Wenn die Küche Beige trägt (und wir trotzdem lachen)
Die Frauen von Ballymore von Lucinda Riley- Irland, eine verbotene Liebe und ein Geheimnis, das nachhallt
Kiss Me Now von Stella Tack – Prinzessin, Personenschutz, Gefühlsernst
Kiss Me Twice von Stella Tack – Royal Romance mit Sicherheitsprotokoll
Kiss Me Once von Stella Tack – Campus, Chaos, Bodyguard: eine Liebesgeschichte mit Sicherheitslücke
Die ewigen Toten von Simon Beckett – London, Staub, Stille: Ein Krankenhaus als Leichenschrein
Totenfang von Simon Beckett – Gezeiten, Schlick, Schuld: Wenn das Meer Geheimnisse wieder ausspuckt
Verwesung von Simon Beckett – Dartmoor, ein alter Fall und die Schuld, die nicht verwest
Leichenblässe von Simon Beckett – Wenn die Toten reden und die Lebenden endlich zuhören
Kalte Asche von Simon Beckett – Eine Insel, ein Sturm, ein Körper, der zu schnell zu Staub wurde
Die Chemie des Todes von Simon Beckett– Wenn Stille lauter ist als ein Schrei
Knochenkälte von Simon Beckett – Winter, Stille, ein Skelett in den Wurzeln
Biss zum Ende der Nacht von Stephenie Meyer – Hochzeit, Blut, Gesetz: Der Schlussakkord mit Risiken und Nebenwirkungen
Das gute Übel. Samanta Schweblins Erzählband als Zustand der Schwebe