"Die Zeit und die Räume" Peter Handke wird 80: Unermüdliches Notieren

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Anlässlich des 80. Geburtstags des Schriftstellers Peter Handke veröffentlicht der Suhrkamp Verlag das Buch "Die Zeit und die Räume". Darin enthalten sind Notizen, die Handke während einer Reise im Jahr 1978 niederschrieb. Bild: Suhrkamp Verlag

Der Literaturnobelpreisträger Peter Handke wird 80 Jahre alt. Noch immer ist er ein unermüdlich Schreibender; ein Schriftsteller, dessen Werk dazu bewegt, die Zwischentöne der Welt und Umwelt stärker wahrzunehmen. Handke ist literarischer und außerliterarischer Flaneur. Ein Spaziergänger, der auf seinen Wegen von flüchtigen Gedanken "angeflogen" und eingenommen wird, der versucht ist, Gedachtes und Gesehenes textlich in Übereinstimmung zu bringen. Anlässlich des runden Geburtstages veröffentlicht der Suhrkamp Verlag nun ein mit "Die Zeit und die Räume" überschriebenes Notizbuch, welches transkribierte Aufzeichnungen Handkes aus dem Jahr 1978 beinhaltet.

"Plötzlich zu viele Menschen" heißt es gleich auf der ersten Seite dieses Buches, welches jähe Beobachtungen und Gedanken während einer Reise im Jahre 1978 zeigt. "Plötzlich zu viele Menschen" - Das muss auch der Eindruck des Autors dieser Notizen, Peter Hanke, gewesen sein, als dieser sich im Zuge der Literaturnobelpreisverleihung im Jahr 2019 plötzlich mit Kritikerinnen und Kritikern konfrontiert sah, die ihm - obgleich die meisten von ihnen niemals ein Handke-Buch in den Händen hielten - den Literaturpreis absprechen wollten. "Plötzlich zu viele Menschen" - Das wäre wohl Handkes Reaktion, würde man ohne sein Wissen ein Zusammenkommen organisieren, um ihm zum Achtzigsten zu gratulieren.

Immer schon verstand sich der Autor Peter Handke als Befürworter des Außenseitertums. Er selbst war stets darum bemüht, möglichst weit ab vom literaturbetrieblichen Schuss zu wandeln, zwar den Mythus, die Figur Handke prominent in den Vordergrund zu stellen, den Dichter Handke aber dort zu lassen, wo es sich beobachten und schreiben lässt. Zum enfant terrible der deutschsprachigen Literatur wurde er bereits im Alter von Dreiundzwanzig Jahren, als er im Rahmen einer Tagung der Gruppe 47 den dortigen Autorinnen und Autoren eine "Beschreibungsimpotenz" attestierte. Im selben Jahr, 1966, erschien Handkes Debütroman "Die Hornissen". Sieben Jahre später wurde er als der bislang jüngster Autor mit dem Büchnerpreis ausgezeichnet.

Staunen, fragen, dazwischenfahren: Der Rückzug als Revolte

"Plötzlich zu viele Menschen". Das meint auch: das Zuviel der Staunenden, Fragenden, der Dazwischenfahrenden und ständig Analysierenden. Das meint, dass Meinungen und Urteile an Blicke geheftet, und Schaffende im Rampenlicht immer bedrohte sind. Bedroht vom Applaus, natürlich. Aber auch davon bedroht, plötzlich Meinung machen zu wollen, wo bisher die wage Anschauung genügte. Als Schöpfer einzuschlafen und als Macher aufzustehen, den Literaten zu opfern, um aus dessen Grab einen unbequemen Gesellschaftstypus auferstehen zu lassen, der - und mag er noch so vehement in seiner Gegenrede sein - immer Teil der Staunenden, Fragenden und Dazwischenfahrenden bleibt wird.

Wer das Schöpferische nicht opfern will, kann unmöglich auf Rückzug verzichten. Handke lebt einen solchen Rückzug seit mehr als 30 Jahren mit äußerster Konsequenz. Es steckt ein klein wenig Revolte in diesem Eremiten-Dasein, welches sich in der südwestlichen Pariser Peripherie abspielt. Nur über literarischem Wege mischen sich Handkes Gedanken von dort aus ins Gesellschaftliche, leuchten unvermittelt auf und plädieren für Allmählichkeit. "Dinge in sich hineindenken" lesen wir in "Die Zeit und die Räume". Sie "gewähren lassen".

"Die Zeit und die Räume"

"Die Zeit und die Räume" umfasst Tagebucheinträge vom 24. April bis zum 26. August 1978. Es diente als Begleitbuch einer Reise, die Handke von Kärnten nach Slowenien, in den Karst und weiter nach Norditalien führte. Seit 2021 arbeitet die Österreichische Nationalbibliothek und das Deutsche Literaturarchiv Marbach an der Digitalisierung von Handkes Notizheften. Insgesamt soll es sich um über 35.000 Seiten handeln. Mit "Die Zeit und die Räume" erscheint nun eines dieser Notizbücher erstmals vollständig in einer Transkription der Handschrift.


Peter Handke - "Die Zeit die Räume" / Suhrkamp Verlag / 2022 / 311 Seiten / 34 €

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