N-Wort in Romanen? Dennis Lehane: "Der Versuch, über schmerzhafte Themen zu reden, gilt auf einmal als Sünde"

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Der Bestseller-Autor Denis Lehne beklagt den öffentlichen Umgang mit Tabuthemen. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" spricht er über eine sich zunehmend polarisierende Welt, über den Gebrauch des N-Wortes in seinem neuen Roman "Sekunden der Gnade" und über die Wurzel vielen Übels: den Kapitalismus.

Der Bestsellerautor Dennis Lehane stellt in seinem aktuellen Roman "Sekunden der Gnade den Rassismus in den USA der 1970er Jahre dar. Dabei verwendet er auch die damals gebrauchte Sprache - unter anderem das N-Wort. Bild: David Shankbone - Shankbone / Wikipedia

Wer eine rassistische Welt in einem Kunstwerk darstellen will, sollte vor einem rassistischen Sprachgebrauch nicht zurückschrecken, meinst der Bestsellerautor Dennis Lehane. Daher habe er den Figuren seines neuen Romans "Sekunde der Gnade" einen solchen gegeben. Dabei wird unter anderem auch das N-Wort verwendet. Gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) beklagte in diesem Zusammenhang eine Welt, die sich zunehmend polarisiere und die der man über nichts mehr reden könne. "Man wird von beiden Seiten niedergebrüllt", so Lehane. "Selbst der Versuch, über schmerzhafte Themen zu reden, gilt auf einmal als Sünde."

"Sekunden der Gnade"

In "Sekunden der Gnade" schreibt Lehane über den Rassenhass in den USA der 1970er Jahre. Schwarze Kinder sollen künftig mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden. Angst geht um und Hass. Eines Machst kehrt Mary Pat Fennessys 17-jährige Tochter Jules nicht mehr nach Hause zurück. Die Mutter beginnt Fragen zu stellen, stößt aber aber auf eine Wand aus Schweigen und Widersprüchen. Bald stellt sich heraus: Man hat ihr das einzige genommen, was ihr in dieser Welt Halt gab. Außer sich vor Schmerz macht sie sich auf, um Rache zu nehmen an den Verantwortlichen – und um ihre eigene Schuld abzutragen.

"Ich wollte die Welt, in der ich aufgewachsen bin, authentisch schildern. Die rassistische Sprache abzumildern wäre hochgradig unaufrichtig gegenüber dem, was damals los war", sagte Lehane über seine Geschichte. "Wir haben mit einer massiven Reaktion gerechnet, aber es kam nichts." In der deutschen Übersetzung - die dieser Tage bei Diogenes erschienen ist - warnt der Verlag in einer Notiz vor dem Sprachgebrauch.

Kapitalismus als Ursache von Rassismus

Als Ursache für den Rassismus macht Lehane den Kapitalismus aus. "Die Reichen verteidigen ihren Besitz, indem sie die Ärmsten damit beschäftigen, gegeneinander zu kämpfen. Am einfachsten geht das über den Rassismus", so der Autor im Interview mit der NOZ. "Man muss einfach nur sagen: Ihr seid nicht arm, weil wir die ganzen Ressourcen für uns behalten; ihr seid arm, weil die Immigranten euch die Arbeitsplätze wegnehmen. Die Strategie ist dreist und wird seit Hunderten von Jahren durchgezogen." Es gebe ein "ein hässliches Bedürfnis, sich für besser als die anderen zu halten, egal, wer diese anderen sind. Dieses Gefühl wird gerade auf der ganzen Welt instrumentalisiert."

Und doch blickt Lehne zuversichtlich in die Zukunft. "Ich bin in einer sehr rassistischen Gesellschaft aufgewachsen. Trotzdem kenne ich jede Menge Leute, die keine Rassisten sind - mich eingeschlossen. Also bin ich optimistisch."

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