Frei-Texte

Freie Texte

Die Katastrophe

Das Leben ging weiter, als wäre nichts geschehen. In diesem Jahr war das Weihnachtfest wieder besonders schön. Erich sagte: "Sieh nur, Heini, wie die Augen des Kleinen strahlen! Mir wird direkt warm ums Herz." "Ja", sagte Heini, "ihr verwöhnt ihn ja auch ganz schön." Vater war ein bisschen traurig. Seine Stimme klang heute ganz anders. Später dachten wir oft darüber nach, ob er wohl etwas ahnte. Er war doch sonst immer der Verrückteste. Silvester waren wir alle platt. Vater ging schon um neun ...
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Gelbweiss gepunktet

Das Licht trifft mich hart, als ich die Augen öffne. Sie sind schwer, klebrig und trocken. Habe sehr spät in den Schlaf gefunden und bin dafür viel zu zeitig wach. Fühle mich wie überfahren, der Rücken schmerzt, alles fühlt sich unflexibel und irgendwie hart an. Schnalze mit der Zunge. Pelzig. Trocken. Bemühe mich, die Augen aufzumachen, über den Schmerz hinweg. Wenn ich das geschafft habe, wird es dann meist schnell besser. Unter meiner gelbweiss gepunkteten Bettwäsche raschelt es vorsichtig. ...
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Der Sommer war endlos

Der Sommer war endlos. Die Hitze war aushaltbar. Die Liebe war groß. Ich erinnere mich an die Sommer auf dem Dorf. Wir konnten nicht nur Kind sein, sondern auch erwachsen und alles dazwischen. Wir waren alles. Wir waren Gott. Und das beste: wir wussten es, aber es wurde nicht gesagt und nie auch nur gedacht. Wir waren das Flimmern auf der Straße. Wir waren das Gewitter, das sich dankbar und erschöpft über den Feldern entlud. Wir waren das billige Wassereis aus dem kleinen Geschäft in der Mitte ...
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Beide Pachamamas

Der Duft mehliger Äpfel bei Oma bestrickte jeden schlechthin. Meine Großmutter war die erste große Pachamama für unsere Familie und meine Träume. Sie pflegte einen zaubervollen Obstgarten, in dem viele Sorten von Apfelbäumen über den Lenz aufblühten und Früchte im Spätsommer oder im Frühherbst trugen. Und die Ontologie der Äpfel war der Pachamama und deren Freunden Insekten zuvörderst bekannt – sie schimmerte auch in dem Zauber der Thaddeus’ Scheune, des Onkels, der einen Pachamama-Altar zu ...
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Die Suche nach den Gefühlen

Die Dunkelheit ist zäh und dickflüssig. Sie drückt mich auf den harten, steinigen Boden. Ich liege auf dem Bauch, meine Wange von den Steinen wund gekratzt, mein Blick zur Seite. Schwarz. Mir scheint kalt zu sein, jedoch kann ich es nicht fühlen. Taubheit. Sie durchströmt meinen Körper und trotzdem ist jede Faser von Schmerz erfüllt. Mein Kopf dröhnt, als ich ihn leicht anhebe und nach oben schaue. Weit in der Ferne kann ich Licht erkennen. Ich schliesse die Augen und lasse meinen Kopf seufzend ...
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Wie kann man nur so wenig Empathie haben?

Hab Mitleid mit mir, denke ich, während sich die gelben Türen wie das Gähnen einer Katze langsam zuckend öffnen und die U-Bahn ein Schwall Menschen ausspuckt. Schwunglos treten die Fahrgäste aus und ich presse meine Arme an meinen Körper, während sie sich an mir vorbeischlängeln. Endlich betrete ich den Wagon, die Sitzplätze sind alle besetzt. Ich halte mich mit der freien Hand an der Stange fest. Es ist 7:52 Uhr und um 8 Uhr habe ich mein Meeting. Die Hitze meines Kaffees kriecht sich durch ...
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Fachkräftemangel

Zu dieser Stunde wird niemand von uns durch das Berufsleben gehen können, ohne mit dem Begriff "Fachkräftemangel" in Berührung zu kommen. Er ist allgegenwärtig: Die Alten werden nicht gepflegt, die Jungen nicht erzogen. Dem Klimawandel kann nicht die Stirn geboten und die Digitalisierung nicht vorangetrieben werden. All das, weil es niemanden gibt, der diese Berufe ausüben möchte. Wieso nicht? Sie sind doch gefragter denn je! Pflegepersonal? Brauchen wir! Handwerker? Her damit! Gastronomen? Auch ...
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Von Schlümpfen und blauen Häusern

An Tagen, an denen die liebe Sonne scheint und unsere Herzen mit Wärme und Hoffnung flutet, gehe ich ganz besonders gern spazieren. Meist laufe ich immer dieselben Runden mit meinen zwei Vierbeinern. Mittlerweile haben sich bei den verschiedenen Routen auch entsprechende Titel etabliert. So gibt es da die Blaue Haus-Runde. Das Blaue Haus ist ein Einfamilienhaus in unserer hiesigen Siedlung, das blauweiß und mit Schalke 04-Schriftzug bemalt worden ist. Muss ein echter Fan sein, der da wohnt. Sein ...
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Spätsommer-Romanze

Meine Augen sind noch klebrig. Muss mich bemühen, sie ganz zu öffnen. Der Rotwein liegt schwer in meinem Kopf. Ich schmecke den Zigarettenrauch auf meiner Zunge. Pelzig und trocken. Als ich die Augen öffne, schwimmt das Bild. Du liegst da. Schläfst noch. Ganz tief. Und sehr friedlich. Ich beobachte dich gern dabei. Schön bist du. Mustere deine Nase, die so wunderschön eben in deinem Gesicht ruht. Schaue auf deine sinnlichen Lippen. Erinnere mich an vergangene Nacht, schmecke deine Küsse noch auf ...
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Frieden

Ich wache auf Es ist ruhig Ich mache die Augen auf Es ist friedlich Alles in mir fühlt sich ruhig und warm an Ich wache auf Diese eine Sekunde zwischen Träumen und Wachen Dieser eine Moment ist friedlich und vollkommen Diese eine Sekunde ist perfekt Dann ... Fange ich an zu denken Der Krieg geht los Die Schwere überfällt mich Alles fühlt sich an wie gelähmt Der Kopf lacht hämisch Er bewirft mich gerade zu mit Gedanken Er hört nicht auf! Wann hört das auf? Dann sortiere ich meine ...

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