Versicherungen Schutz, der keiner ist

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Haben Sie gewusst, dass es Gummi-Überzieher für Blumentöpfe gibt? Ich habe sie gesehen, im Gartencenter.

Japanische Zwergkirschen mit elastischen Überziehern Foto © Yvonne Kuschel

Eine Versicherung schützt weder vor Krankheit, noch vor dem Tod, das ist bekannt. Überzieher schützen vor Wind und Regen, wenn es sich um Mäntel oder Jacken handelt. Sind sie aus Gummi, schützen sie vor ungewollten Schwangerschaften oder Geschlechtskrankheiten. Aber wogegen schützt so ein Überzieher aus Gummifäden? Die Erde kann herausfallen, Regen dringt hinein... Ich entscheide mich für eine andere Erklärung: sie wurden erfunden, um das zum Verkauf stehende Bäumchen attraktiver aussehen zu lassen (Beine gewinnen doch auch, wenn sie in eleganten Schuhen stecken). Und dadurch zum Kauf anzuregen? Bestimmt! Immerhin bin ich stehen geblieben und habe die wundersame Häkelarbeit bestaunt. Beim Anblick des weißen spinnwebeartigen Topfschmucks fiel mir meine völlige Talentlosigkeit während der Grundschulzeit ein, Handarbeiten aller Art betreffend, und wie ich diese erfolgreich überspielt hatte.

Zum Glück hatte ich eine sehr talentierte Mutter, die konnte einfach alles, was mit Händen zu meistern war. Wenn auch mein erster (eigener!) Stickerei-Versuch als eine gelungene Lachnummer der Klasse vorgeführt wurde, landeten alle nachfolgenden Handarbeiten in diversen Ausstellungen, nicht nur innerhalb der Schule. Bei Mutters Stickkunst konnte man kaum zwischen der rechten und der linken Stoffseite unterscheiden, so sauber und perfekt war die Fadenführung. Einmal (da war ich bereits in der sechsten Klasse) fertigte meine Mutter ein kleines Gobelin an, nach meiner alten Zeichnung aus der ersten Klasse, die “Was ich am Sonntag im Wald gemacht habe” betitelt war. Zu sehen war ein Stück der bewaldeten Endmoräne in unserer Nachbarschaft, mit all ihren verschiedenen Bäumen, Pflanzen, Pilzen und Tieren. Und überall war ich, 15-fach geklont und immer etwas anderes erlebend. Wegen dieser Zeichnung bekamen meine Eltern damals einen blauen Brief, in dem stand, dass sie aufhören sollten, meine Hausaufgaben zu machen. Meine Eltern waren darüber so empört, dass sie all die bis dahin von mir angefertigten Bilder einsammelten und zur Schule brachten; worauf das Lehrerkollegium beschloss, eine Ausstellung der Arbeiten zu organisieren. Ich war rehabilitiert! So ist es auch zu erklären, warum niemand später meinen Ausstoß an Kreativität (auch Mutters Talenten geschuldet) in Zweifel zog. Und ich fand, für die Demütigung, die ich jenes Bildes wegen vor der Klasse erfahren hatte (und vor einer Gruppe Studenten, die mit ihrem Professor dem Unterricht an diesem Tag beiwohnten), war es nur gerecht, die Lehrer, Schüler und Studenten zu täuschen und Mutters Können auf diese Weise zum Glanz zu verhelfen. Zumal all meine Bilder nach Beendigung der kleinen Ausstellung “verschwunden” waren. (Alle, bis auf die eine Arbeit über den Sonntag im Wald. Weil ich sie gar nicht in die Ausstellung gab!)

Für das Gobelin erhielt ich den ersten Preis: ein wertvolles Buch, welches noch immer in meinem Besitz ist. Die fragile Handarbeit wurde entsprechend gerahmt und von dem Danziger Museum für Kunst und Gewerbe in die ständige Ausstellung Arbeiten einheimischer Künstler aufgenommen. Was für eine Auszeichnung für unsere ganze Familie! Meine Eltern tranken zu Feier dieses Ereignisses ein Gläschen “Danziger Goldwasser”, mit echten Goldplättchen darin, dünn wie Seidenpapier. Wenn man die Flasche schüttelte, schwebten die Goldteilchen langsam auf den Boden, und wenn dann noch Sonne darauf schien, kam es mir vor, als gäbe es eine Zauberfee darin und ich könnte Wünsche äußern, ohne Ende!

Viele Jahre später besuchte ich das Museum und erfuhr, dass unsere Handarbeit gestohlen wurde, zusammen mit einem daneben präsentierten kostbaren Gobelin aus dem 18. Jahrhundert. Mitnahme-Effekt, wahrscheinlich, sagte die Direktorin, und dass sie den Verlust sehr bedauere. Ich aber dachte, dass meine Mutter einen Fan in der schönen alten Hansestadt hatte.

Hoffentlich war das Museum gut versichert. Werden Kunstwerke, für die ein Haus nichts bezahlen muss, angemessen versichert? Oder gar nicht? Einmal erzählte mir ein Sammler, dass er, sollte sein Haus in Brand geraten, zuallererst die teuer bezahlten Werke von den Wänden retten würde; daran sollte ich immer denken, falls ich jemals Bilder verschenken wollte.

Kurz darauf erhielt ich von kunstbegeisterten Bekannten eine Einladung zur Einweihung ihrer Eigentumswohnung. Die Wohnung war prächtig, feinster Berliner Jugendstil, mit ausgesuchten Antiquitäten geschmackvoll bestückt und mit professionell gerahmten Zeichnungen dekoriert. Meine Zeichnung, die ich ihnen einmal zur Hochzeit geschenkt hatte, hing auch an der Wand: in der Küche gleich neben dem Herd, mit Heftzwecken auf eine Korkwand gepinnt... Bevor ich ging, rettete ich mein Bild, denn mein Geschenk kam damals vom Herzen, und mein Herz blutete beim Anblick der Heftzwecke sehr.

Eine Woche später riefen mich diese Bekannten an und erzählten eine unglaubliche Räuberpistole: die Putzfrau soll eine wertvolle Jugendstillampe, zwei silberne Kandelaber und eben meine Zeichnung gestohlen haben... Sie wurde noch nicht gefasst, denn ihre angegebene Adresse stellte sich als falsch heraus und aller Wahrscheinlichkeit nach hieß sie nicht Frau Müller; also kaum Hoffnung auf Wiedergabe der geklauten Dinge. Da sie den Wohnungsschlüssel mitgenommen hatte, wurde das Schloss sofort ausgewechselt... Was das gekosten hat!

Ich war mir sicher, dass die Putzfrau nichts der Gleichen getan hat. So eine dreiste Verleumdung! Wenn sie überhaupt eine Putzfrau hatten... Frau Müller! Diese Menschen waren so fantasielos!

Hoffentlich seid Ihr gut versichert, sagte ich höflich, Mitleid heuchelnd. Ja, das schon, sagten sie, aber nur gegen Brand und Hagel! Na dann, alles Gute für die Zukunft und raucht ja nicht im Bett, sagte ich zum Abschied. Es war ein Abschied für immer, in meinem Telefonbuch gab es diese Leute bereits seit Sieben Tagen nicht mehr, aber davon hatten sie natürlich keine Ahnung.

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