Einmal New York - Und nicht wieder zurück Wie ein Pfarrer in die USA auswandert

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Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen, wusste schon der Dichter Matthias Claudius. Das Pfarrerehepaar Barbara und Wilfried Wassermann hat in der Tat viel zu erzählen. „Am Anfang war ein Satz. Einer jener Sätze, die man gedankenlos so dahinsagt: Es wäre doch interessant, eine Zeitlang in New York zu wohnen“.

Eine schwäbische Pfarrersfamilie geht mit einem ihrer Söhne aus der schwäbischen Provinz in die Millionenmetropole New York Cover Verlag tredition

Ein unterhaltsamer Reisebericht

Vielen von uns gehen ähnliche Sätze durch den Kopf, aber die wenigsten setzen sie in die Tat um. Nicht so die Wassermanns. Sie gehen mit einem ihrer Söhne aus der schwäbischen Provinz in die Millionenmetropole New York, um dort die deutsche Gemeinde der St. Pauls Kirche für einige Jahre zu leiten. Was sie dort erleben, Kurioses, Alltägliches, Nachdenkliches oder einfach nur Interessantes – erfahren wir aus ihrem unterhaltsamen „Reisebericht“, erschienen im Tredition Verlag, Hamburg.

Die absurden Alltäglichkeiten eines Auswanderers

Gleich zu Beginn des Buches spürt man den Unwillen von Wilfried Wassermann gegenüber der „Behörde“ in Hannover, wie er das Außenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland nennt. Sie hat bisher immer dafür gesorgt, dass aus seinen Versetzungsanträgen ins In- und Ausland nichts wurde. Diesmal klappte es. Trotz 40 Bewerbungen. Kurz vor Weihnachten 2003 zog die Familie dann nach New York um. Zunächst allerdings in ein „Puppenhaus“, eine Doppelhaushälfte an einer sehr befahrenen Straße. Warten auf den Container mit den heimischen Hausrat und vor allem die mühsam-bürokratische Beschaffung einer Social Security Number, ohne die hier gar nichts geht, prägen die ersten Tage und Wochen. Geduld und Keep smiling brauchen die Wassermanns und lassen uns an ihren „Abenteuern“ plastisch teilhaben. Und darin liegt die große Stärke des Buches: Beide Autoren beschreiben die absurden Alltäglichkeiten eines Auswanderers bildhaft und nachvollziehbar. Als Leser fiebert man mit, erhalten sie die begehrte Nummer, bestehen sie die Führerscheinprüfung, die sie hier noch mal ablegen müssen?

Der bürokratischen Irrsinn

Überhaupt erfahren wir viel Wissenswertes über die Wahlheimat der Wassermanns. Über den bürokratischen Irrsinn gepaart mit Willkür der Behörden, über den Konsumwahn und die Abhängigkeit von der Kreditkarte – aber eben auch über dieses besondere amerikanische Grundverständnis, das das Individuum feiert: „Du bist wichtig, du kannst alles erreichen“: Persönliches steht vor dem Gemeinwohl. Über die Risikobereitschaft, zu der auch Scheitern gehört, was eben keine Schande ist; und das schöne Verhältnis zu Kindern, die hofiert werden, und die eben einfach dazugehören – ohne dass dies die Politik vorschreiben muss.

Der Sonntagsgottesdienst wird zum Fixpunkt

Nicht alltäglich ist der Insiderblick in eine deutsche Kirchgemeinde in New York St. Pauls Kirche. Die St. Pauls-Gemeinde ist heillos zerstritten ist. Hier prallen die Wünsche und Vorstellungen der seit vielen Jahren in Amerika lebenden Deutschen auf die der „Expatriates“ (vorübergehend im Ausland lebende und arbeitende Menschen). Ganz anders als in seinem Heimatdorf ist Gemeindearbeit in der Woche kaum denkbar. Weil seine „Schäfchen“ über die ganze Riesenstadt verstreut sind, ist der Sonntagsgottesdienst der Fixpunkt seiner Arbeit. Eine Hochzeit, so erfahren wir außerdem, kostet in New York nicht unter 60.000 Dollar, fast doppelt so viel wie im Landesdurchschnitt.

Pfarrer sucht Mitglieder im Internet

Mit viel Engagement versucht der schwäbische Pfarrer die Mitgliederwerbung auf neue Beine zu stellen. Internet! Doch dies stößt bei der „Behörde“ in Old Germany nicht auf Gegenliebe. Denn statt in bürokratischer Abstimmung handelt Wassermann lieber nach seinem Lebensmotto: „Über mir ist hier kein Dekan, Prälat oder Bischof – nur noch der liebe Gott“. Nach zehn Jahren ist das Abenteuer New York dann vorbei. Am Ende steht ein kompletter Bruch der Wassermanns mit der „Behörde“ in Deutschland. Sie wollen nicht mehr nach Deutschland zurück, da das „System die Ordnung mehr liebt als das Wohl der Gemeinde“. Ihren Ruhestand wollen Barbara und Wilfried Wassermann nun in Florida verbringen. „Einmal New York - Und nicht wieder zurück“ ist ein mit leichter Hand geschriebenes Buch, das unterhält und Einblicke in einen Berufsstand gewährt, die man üblicherweise nicht bekommt.

Einmal New York - Und nicht wieder zurück
Von Barbara und Wilfried Wassermann Verlag: tredition GmbH, Hamburg
Amazon-Preis Kindle Edition EUR 4,99
Gebundene Ausgabe EUR 16,99
Taschenbuch EUR 9,99

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