Die Vertraute der Zariza Lesering im Gespräch mit Kirsten Döbler

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„Die Vertraute der Zariza“ ist ein wunderbarer Roman - stimmungsvoll geschrieben, detailgetreu und fundiert recherchiert. Der Roman lässt die jahrhundertealten russischen Traditionen lebendig werden. Er spielt im alten, zaristischen Moskau des 17. Jahrhunderts. Zwei Freundinnen Natalja und Darja durchleben gemeinsam Schicksalsschläge. Zar Alexei Michailowitsch Romanow sucht eine neue Zariza und lädt die schönsten Jungfrauen des Zarenreiches nach Moskau ein. Darja, die Tochter eines verarmten Adligen, ist eine von ihnen. Sie möchte unbedingt durch eine Heirat der Armut entfliehen. Vor dem Hintergrund des Strelitzenaufstandes im Jahr 1682 erzählt der Roman das Schicksal von Darja und ihrer Freundin Natalja Naryschkina, der späteren Zariza und Mutter Peters des Großen. Das Buch liest sich äußerst spannend. Das perfekte Sommerbuch, das fesselt und zum Träumen und Schwärmen einlädt.

Lesering im Gespräch mit Kirsten Döbler über ihre Liebe zu Russland, Selfpublishing und ihre Inspiration.

Lesering im Gespräch mit Kirsten Döbler über ihre Liebe zu Russland, Selfpublishing und ihre Inspiration.

Lesering: Immer wieder spielen Ihre Texte in Russland: warum? Woher kommt diese Liebe?

Meine Liebe zu Russland hat zunächst mit der Sprache und Literatur begonnen. Ich habe an der Universität Hamburg Russisch, Englisch und Erziehungswissenschaften studiert, und zwar noch zu Zeiten des Kalten Krieges, als man eher in Ausnahmefällen einmal „live“ einem Russen begegnete. Insofern habe ich die Sprache erst anwenden können, als ich ein Stipendium für die Leningrader Universität bekam und eine Zeitlang in einem russischen Studentenwohnheim gelebt habe. Da ist der Funke aber sofort übergesprungen: Ich habe dort sehr aufgeschlossene, herzliche, humorvolle Menschen kennengelernt. Da ich beruflich auch immer wieder im Bereich der Russland-Kooperation tätig war, hat sich dieser Eindruck über die Jahre verfestigt. Und so wollte ich mich natürlich auch literarisch mit dem Land befassen, dessen Menschen ich mich nahe fühle. (Die neureichen Russen, die Millionärsmessen besuchen, gab es damals ja noch nicht, und die habe ich auch später nie kennengelernt ;-) ) Für die Beschäftigung mit Russland im 17. Jahrhundert in „Die Vertraute der Zariza“ gab es noch einen weiteren Grund: Ich wollte das „ursprüngliche“ Russland für mich selbst gern einmal gründlich recherchieren und anschließend für interessierte Leserinnen und Leser aufbereiten. Denn in Westeuropa beginnt die Wahrnehmung des historischen Russlands eigentlich erst mit Peter dem Großen: Er holte in großem Umfang westliche Spezialisten ins Land, reiste selbst nach Europa, öffnete den Hof für ausländische Adlige. Und er machte St. Petersburg zur Hauptstadt. Das ganze Leben änderte sich mit seinem Machtantritt, er brach mit den überlieferten Traditionen und schaffte z. B. auch den Bojarenstand ab. Mein Roman behandelt aber die Generation von Peters Eltern, in der die jahrhundertealten russischen Traditionen noch lebendig waren.

Lesering: Sie haben Russland oft besucht - Wie hat sich das Land – Ihrer Meinung nach – in den letzten Jahren verändert?

Seit der Ukrainekrise hatte ich noch keine Gelegenheit, wieder nach Russland zu reisen, insofern kann ich nur meine Eindrücke von dem Austausch mit Freunden wiedergeben. Ehemalige Studienkolleginnen und -kollegen von mir - die einen Russen, die anderen Ukrainer - sind einander inzwischen spinnefeind, beide aus ihrer jeweiligen Sicht mit guten Argumenten. Leider ändert sich in Russland die Einstellung zum westlichen Europa auch gerade wieder; man fühlt sich bedroht, nicht ernst genommen, betrogen durch das Vorrücken der NATO bis an die Grenzen Russlands. Bei uns in den Medien wird Putin ja überwiegend negativ dargestellt. Man muss sich aber klarmachen, dass die Mehrheit der Russen, denen in erster Linie Stabilität und Sicherheit wichtig sind, umso fester hinter Putin steht, je mehr der Westen ihn ausgrenzt. Der Ausschluss Russlands bei den G7-Gesprächen hat ihn innenpolitisch insofern weiter gestärkt. Und ich finde es höchst problematisch, in einer so gefährlichen Situation wie derzeit in der Ukraine eine Chance zum Dialog nicht zu nutzen.

Lesering: Gibt es diese typische russische Mentalität? Wie sieht die aus?

Antwort: Es sind ganze Bücher über die russische Mentalität geschrieben worden - ich glaube nicht, dass ich sie in ein paar Sätzen zusammenfassen könnte. Insofern antworte ich lieber mit den Worten des russischen Dichters Fjodor Tjutschew, der im 19. Jahrhundert in einem Gedicht schrieb „Mit dem Verstand ist Russland nicht zu verstehen, nicht mit gewöhnlichem Maß zu messen. Es hat ein ganz besonderes Wesen, an Russland kann man nur glauben“.

Lesering: Woran arbeiten Sie im Moment?

Antwort: Ich habe gerade die Arbeit an einem neuen Roman begonnen; er spielt allerdings weder in Russland, noch habe ich mir diesmal ein historisches Thema gesucht. ;-)

Lesering: Schreiben Sie täglich?

Antwort: Ich versuche es. Bei einem umfangreichen Projekt ist es natürlich einfacher, wenn man am Ball bleibt, anstatt sich nach einer Pause wieder neu hineindenken zu müssen. Aber aus Zeitgründen (Arbeit in einer Internetredaktion und andere Verpflichtungen) gelingt es mir leider nicht immer.

Lesering: Wie inspirieren Sie sich?

Antwort: Ich arbeite gern mit visuellen oder akustischen Reizen. Bei meinem Roman „Die Vertraute der Zariza“ habe ich mir z. B. Gemälde und Zeichnungen angesehen, die das Leben im 17. Jahrhundert in Russland darstellen. Bevor ich anfange zu schreiben, baue ich mir ein Gerüst mit den Eck- und Wendepunkten der Handlung und überlege, wie die Geschichte enden soll. Die Ideen für die einzelnen Szenen entstehen aber erst im Schreibprozess selbst, und wenn der Ideenfluss einmal ins Stocken gerät, lese, höre oder betrachte ich etwas, das im weitesten Sinne mit meinem Stoff zu tun hat. Und anschließend mache ich nach Möglichkeit eine Wanderung oder Radtour. Wenn ich danach wieder am Schreibtisch sitze, weiß ich meistens, wie die Szene aussehen soll.

Lesering: Was halten Sie von Selfpublishing?

Antwort: Grundsätzlich stehe ich dem Selfpublishing positiv gegenüber. Es gibt ein großes Bedürfnis danach, die eigenen Geschichten oder Ansichten zu veröffentlichen. Und warum sollte das, was in den Blogs, auf Facebook, Twitter und anderswo inzwischen selbstverständlich ist, in Zeiten kinderleicht zu bedienender Instrumente auf den Selfpublishing-Plattformen nicht auch für Bücher in digitaler oder gedruckter Form gelten. Als Leserin muss ich vielleicht genauer hinschauen, ob ein Buch inhaltlich und sprachlich meinen Erwartungen entspricht. Aber für Autorinnen und Autoren bietet das Selfpublishing die Möglichkeit, auch Nischenthemen oder vom Umfang her aus dem Rahmen fallende Projekte einem interessierten Publikum zugänglich zu machen. Zunehmend entdecken aber offenbar auch viele Autorinnen und Autoren, die sich innerhalb der klassischen Genregrenzen bewegen, das Selfpublishing für sich und sind sehr z.T. sehr erfolgreich damit. Dass man das gesamte Marketing dann selbst leisten muss, ist etwas, das zwar aus meiner Sicht eher für die Suche nach einem klassischen Verlag spricht. Wenn man sich aber gut selbst vermarkten kann - warum nicht? Grundsätzlich finde ich, dass beide Bereiche ihre Berechtigung haben.

Lesering: Wenn Sie angehenden Autoren drei Dinge/Ratschläge heute mit auf den Weg geben sollten, welche Dinge wären das?

Antwort: Nichts liegt mir ferner, als hier anderen Ratschläge zu erteilen - ich kann höchstens berichten, was ich selbst als sehr hilfreich empfunden habe und empfinde, nämlich den Austausch mit Gleichgesinnten in Autorengruppen und Textkritikwerkstätten und die Seminare der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel sowie der Textmanufaktur Leipzig.


Die Vertraute der Zariza
Format: Kindle Edition
Dateigröße: 1021 KB Seitenzahl der Print-Ausgabe: 271 Seiten
Verlag: frankly
Auflage: 1 (6. März 2015)
Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.

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